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Oppermann spricht nach seiner Aussage im Innenausschuss zu Journalisten.

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Update

Innenausschuss zur Affäre um Sebastian Edathy: Oppermann: "Ich war fassungslos und schockiert"

BKA-Präsident Ziercke kann in seinem Verhalten und dem von SPD-Fraktionschef Oppermann keinen Fehler erkennen. Oppermann selbst bedauert seine Rolle beim Rücktritt von Friedrich - sein Anruf bei Ziercke geschah aber nur, um die "Dinge einordnen zu können".

Diesen einen Satz wollte er nicht sagen. Das ärgerte den Ausschuss-Vorsitzenden Wolfgang Bosbach auch. "Das fällt Politikern immer schwer", sagte Bosbach. Dieser eine Satz: "Es war ein Fehler." Thomas Oppermann windet sich nach seinem knapp zweistündigen Auftritt vor dem Innenausschuss des Bundestages um dieses Eingeständnis. Er formuliert es anders. "Fassungslos und schockiert" sei er gewesen als er von den Vorwürfen gegen Sebastian Edathy von SPD-Chef Sigmar Gabriel erfahren hatte.

Er habe Edathy als versierten Innenpolitiker gekannt, der "hervorragende Arbeit" als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses gemacht habe. "Ich konnte mir auf diese Information keinen Reim machen", sagte Oppermann am Mittwochabend. Deshalb habe er BKA-Chef Jörg Ziercke angerufen, um die "Dinge einordnen zu können". Er habe Ziercke nicht bedrängen wollen oder sich angemaßt, Informationen aus laufenden Ermittlungen zu bekommen. "Vielleicht war es meine heimliche Hoffnung, dass Ziercke mir sagt, dass das eine Verwechslung oder ein Irrtum sei. Das sagte er aber nicht."

Bedauern über die Wortwahl

Oppermann habe Ziercke den Sachverhalt, den er erfahren habe, geschildert und Ziercke habe gesagt, dass er das nicht kommentieren möchte. Nach dem Gespräch sei er "subjektiv absolut überzeugt" gewesen, dass man mit einem Strafverfahren gegen Edathy rechnen müsse. Oppermann bedauerte die von ihm in seiner Veröffentlichung gewählten Formulierung, dass Ziercke ihm die Informationen zu Edathy "bestätigt" habe. "Das könnte man missverstehen und das bedauere ich", sagte Oppermann. Er selbst habe jemanden gebraucht, mit dem er reden könnte, um den Vorgang einzuordnen. "Ziercke war da der einzige, mit dem ich mich besprechen könnte, da er die Quelle für die Information war", sagte er. Außerdem habe Ziercke gar kein Geheimnis verraten können, da er es ja schon kannte und ihm vorgetragen habe.

Die Ausschussmitglieder, auch die der Union ansagten im Anschluss, dass sich die Darstellungen von Ziercke am Morgen vor dem Ausschuss und die von Oppermann am Abend deckten. Oppermann wollte zwar nicht konkret sagen, ob er wieder so handeln würde, weil sich ihm die Frage nicht stelle. "Aber wenn ich heute so eine Information bekäme, wäre ich wieder bestürzt und fassungslos und würde versuchen, die Informationen einzuordnen", erklärte er.

Die Opposition bemängelte, dass es nicht viel Neues gegeben habe. Ein paar Details sind allerdings neu. So hatte Oppermann beispielsweise auch den heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier über sein Gespräch mit Ziercke informiert. "Ich habe ihm kurz gesagt, dass der Anruf bei Ziercke nichts Neues gebracht hat."

"Wollte Verdacht der Verdunkelung unbedingt vermeiden"

Oppermann verteidigte auch die Veröffentlichung und die darin enthaltene Passage zu Ziercke. Er habe das Gespräch offenbaren müssen, weil er vollständige Transparenz herstellen und nichts verheimlichen wollte. Es habe konkrete Presseanfragen gegeben. Und wenn er die Erklärung nicht abgegeben hätte, wäre es anderweitig rausgekommen und es hätte gehießen, dass die große Koalition die Mitwisserschaft verdunkeln wolle, "und das wollte ich unbedingt vermeiden". Er habe sich sehr genau überlegt, was er tue und sich abgesprochen.

Oppermann tue es außerordentlich leid, dass Friedrich durch seine Veröffentlichung zum Rücktritt gebracht worden ist. Er habe ihn während der Koalitionsverhandlungen schätzen gelernt und sie hätten "Wertschätzung" füreinander empfunden. Ob das in der Union alle so sehen, ist fraglich, schließlich galt Oppermann zu Oppositionszeiten noch als schärfster Kritiker Friedrichs. Auch während der Koalitionsverhandlungen wurde das Verhältnis beider eher als "Nicht-Verhältnis" beschrieben. Hinzu kommt, dass Oppermann auch Ambitionen hatte, selbst Innenminister zu werden.

Am Abend sind noch SPD-Chef Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier vor dem Ausschuss. Allerdings kann man schon jetzt sagen, dass sich Union und SPD versuchen, zusammenzureißen. Die aktuelle Stunde im Plenum war geprägt von Konsens und auch die Einschätzung der Ausschuss-Auftritte waren von kleinen Stichelein abgesehen eher geprägt von Zurückhaltung und dem Blick nach vorn. Groß ist das Reservoir an neuem Vertrauen noch nicht, was nach den Ereignissen der vergangenen Tagen auch nicht zu erwarten war. Es ist eher der Versuch, den Boden dafür zu legen. Das könnte gelungen sein.

Auch Ziercke erklärte sich vor dem Innenausschuss

Vor Oppermann hatte sich bereits der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, geäußert: Er habe den Innenausschuss "umfassend und ausführlich" über die Vorgänge zum Fall Sebastian Edathy informiert. Dabei rekonstruierte er die Vorgänge noch einmal und gab zu, dass erst die Polizeidirektion Nienburg, in Edathys Wahlkreis, auf den Namen Edathy wirklich aufmerksam wurde und das dem BKA gemeldet habe. Im Jahr 2010 hätten die Ermittlungen in Kanada begonnen. Anders als bisher berichtet wurde hat das BKA nicht erst im Oktober 2012 eine Liste mit Verdächtigen bekommen, sondern bereits im Oktober 2011 seien 450 Gigabyte Beweismaterial mit 800 Verdächtigen an das BKA geschickt worden.

"500 davon hatten eindeutig kinderpornografisches Material per Kreditkarte bestellt, bei 300 waren es Fotosets nicht strafbaren Inhalts", sagte Ziercke. Allerdings blieb die Liste ein Jahr unbearbeitet liegen, weil parallel ein anderer, größerer, Fall namens "Tornado" mit mehr als 1000 Verdächtigen und eindeutigem kinderpornografisches Material bearbeitet worden sei. Im Oktober 2012 hätten dann die Emittlungen begonnenen, im November 2012 wurden dann die Bundesländer um Unterstützung gebeten und die Landeskriminalämter über die Liste informiert. Am 15. Oktober habe das BKA dann von einem Kommissariatsleiter der Polizeidirektion Nienburg den Hinweis auf den brisanten Fund in der Liste erhalten. Ziercke sei dann um 15.45 Uhr informiert worden.

BKA-Chef: "Ich war wirklich überrascht"

Am nächsten Tag habe es ein Gespräch mit der Fachabteilung im BKA gegeben. Gegen 12 Uhr habe er dann Innenstaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche angerufen und über den Fall informiert. Auch habe er auf die Schwierigkeit der Bilder hingewiesen und auch darauf, dass die Erfahrung zeige, dass Konsumenten von Material der nicht strafbaren Kategorie 2 möglicherweise auch härteres Material hätten. Am 17. Oktober gegen 15.30 Uhr habe er dann den umstrittenen Anruf von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, damals noch Parlamentarischer Geschäftsführer, erhalten.

Der Präsident BKA, Jörg Ziercke, spricht nach seiner Befragung im Innenausschuss mit Journalisten.
Der Präsident BKA, Jörg Ziercke, spricht nach seiner Befragung im Innenausschuss mit Journalisten.

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"Ich war wirklich sehr überrascht, weil ich vier, fünf Jahre keinen Kontakt mehr hatte", sagte Ziercke. Es sei keinesfalls ein typisches Telefonat unter Parteifreunden. Oppermann habe ihm den Fall geschildert. "Ich war spürbar angespannt, weil ich wusste, dass die Grenze der freundlichen Kommunikation nahe rückt", sagte Ziercke. Er habe Oppermann dann darauf hingewiesen, dass er das nicht kommentieren könne. Und Oppermann habe seinerseits gesagt, dass er ihn nicht in Schwierigkeiten bringen wolle. "Allerdings muss ich zugeben, dass ich den geschilderten Sachverhalt auch nicht dementiert habe. Das konnte ich nicht, weil ich sonst gelogen hätte oder den Minister der Lüge bezichtigt hätte", erklärte Ziercke. Der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel informiert und Gabriel dann Frank-Walter Steinmeier und Oppermann in Kenntnis gesetzt. Ziercke stellte klar, dass er nichts offenbart habe. Auch die Pressemitteilung Oppermanns, in der er den Informationsfluss öffentlich gemacht hatte, habe er nicht vorab gehabt. Zudem sei es das einzige Telefonat gewesen.
Mitglieder des Innenausschusses werteten Zierckes Aussagen als glaubhaft und umfassend.

Aufklärer: Der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), glaubt, dass Edathy einen Tipp über anstehende Ermittlungen bekommen habe.
Aufklärer: Der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), glaubt, dass Edathy einen Tipp über anstehende Ermittlungen bekommen habe.

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Erste Erklärungen lieferte die Sitzung auch in der Frage, was mit dem Brief der Staatsanwaltschaft Hannover geschehen ist, der am 6. Februar aufgesetzt aber erst sechs Tage später beim Bundestag eingetroffen war, noch dazu geöffnet. Horst Risse, Direktor des Bundestages Informierte das Gremium, dass der Brief erst mit dem regionalen Zusteller Citipost verschickt worden ist, der aber nicht bis Berlin liefert. Der Brief sei dann einige Tage liegen geblieben, ehe die Pin AG den Brief dann zum Bundestag überstellte. Deshalb gebe es auch zwei Poststempel, den 7. Februar und den 11. Februar. Beim Bundestag traf er dann am 12. Februar ein.

"Warum bei diesem heiklen Fall kein Bote geschickt wurde, verstehe ich nicht", kritisierte der Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU). Warum der Brief geöffnet war, ist noch nicht geklärt. Die Staatsanwaltschaft behauptet, er sei verschlossen auf den Weg gebracht worden. Daran gibt es Zweifel. Diese Frage zu klären, ist auch deshalb wichtig, weil kurioserweise Sebastian Edathy just an dem Tag seinen Mandatsverzicht ausgefertigt hat, an dem auch der Brief angefertigt wurde, mit dem die Staatsanwaltschaft den Bundestag darüber informieren wollte, dass gegen Edathy Ermittlungen eingeleitet werden sollen. Die Citipost will sich auf Tagesspiegel-Anfrage unter Bezug auf das Postgeheimnis nicht zu dem Brief äußern, sagt aber, dass "eingegangene Post tagesaktuell verarbeitet" werde. Für die Zustellung außerhalb des Verbreitungsgebietes der Citipost würden die Poststücke an andere  Postanbieter übergeben, beispielsweise die Pin AG in Berlin.

Warum fiel der Name Edathy erst der Polizei Nienburg auf?

Warum erst der Polizeidirektion Nienburg der Name Edathy aufgefallen ist und nicht schon einer anderen Behöre deutlich früher, beantwortete Ziercke nicht. Er ließ im Anschluss an seine öffentliche Erklärung nach der Sitzung keine Fragen zu. Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU) wollte keine Kritik daran äußern, dass erst die Polizei in Nienburg der Name Edathy aufgefallen war. Die Liste habe mehrere Monate vorgelegen, aber es sei weder notwendig noch gewünscht gewesen, nach Prominenten zu suchen. Ziercke habe vor dem Ausschuss auch erläutert, dass er kein Interesse hatte, den Namen zu veröffentlichen, da er auch nicht den Eindruck entstehen lassen wollte, es handele sich nach den Reibereien zwischen dem BKA und dem NSU-Untersuchungsausschuss um ein Revanche-Foul an Edathy. Auch SPD-Fraktionsvize Eva Högl sieht kein Versäumnis beim BKA. "Der Informationsweg war absolut korrekt", sagte die SPD-Politikerin.

"Welches Rechtsverständnis hat die Bundesregierung?"

Ein bisschen ist er an diesem Tag wie ein Geist: Hans-Peter Friedrich. Der ehemalige Agrar- und vormalige Innenminister wollte weder dem Innenausschuss einen Besuch abstatten noch dem Plenum des Deutschen Bundestages, das sich in einer aktuellen Stunde mit der Affäre Edathy beschäftigte. Der innenpolitische Sprecher Stephan Mayer verteidigte Friedrich und zollte ihm "Hochachtung und Respekt". Friedrich habe moralisch richtig gehandelt. Er sei ein integrer und rechtschaffener Kollege.

Die Opposition kritisierte die Bundesregierung und die Ansetzung der aktuellen Stunde. Das erwecke eher den Eindruck der Vertuschung, weil keine Fragen gestellt werden könnten und auch der Innenausschuss nicht öffentlich tage.

Sowohl Union und SPD verteidigten ihr Vorgehen. Und selbst der Ton wurde wieder etwas moderater nach den harten Attacken am Wochenende. Mayer blickt Oppermann, der in der ersten Reihe der SPD-Fraktion sitzt aber nicht in die Debatte eingegriffen hat, tief in die Augen. "Der Ball liegt jetzt bei der SPD, und ich erwarte, dass Oppermann Antworten liefert", sagte Mayer und Oppermann nickt. Der Linke Matthias Bartsch sieht eine Krise der Bundesregierung. "Die Kernfrage ist, welches Rechtsverständnis diese Bundesregierung hat." Es sei rechtswidrig, wie Friedrich gehandelt habe. Der Grüne Konstantin von Notz greift die Bundesregierung an und stellt klar, dass weder die Grünen noch die Linken den Rücktritt Friedrichs gefordert hätten, sondern Angela Merkel und Horst Seehofer ihn hätten fallen gelassen.

SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann und die Parlamentsgeschäftsführerin Christine Lambrecht (SPD) im Innenausschuss.
SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann und die Parlamentsgeschäftsführerin Christine Lambrecht (SPD) im Innenausschuss.

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Den vielleicht vollmundigsten Auftritt hatte Armin Schuster. Er forderte erstmal von der Opposition mehr Dankbarkeit für die vielen Rechte, die die Mehrheit der Opposition gewähre. "Sie haben hier 'all inclusive'." Auch Friedrich verteidigte er umfassend. Er sei zwar kein Jurist, aber Friedrich habe "moralisch, politisch und auch juristisch" richtig gehandelt. "Das sage ich einfach mal so." Friedrich habe zudem die Informationen nicht an den SPD-Chef gegeben, sondern an den potenziellen Vizekanzler. Was er nicht richtig fand, war die Weitergabe der Information von Gabriel an Oppermann und Steinmeier. Auch der Anruf Oppermanns an Ziercke sei ein Problem. Er fordere aber nicht den Rücktritt Oppermanns, er müsse das aber jetzt aushalten und sich erklären. Vor allem, warum Menschen, mit denen er rede, so oft in Schwierigkeiten kämen.

Die SPD-Redner betonten, dass man nichts vertusche. Schließlich habe Oppermann mit seiner Erklärung jene Transparenz geliefert, die die Bürgerinnen und Bürger jeden Tag erwarten können, wie Burkhard Lischka sagte. Der betonte auch: "Wir werden uns aufgrund dieses Falls als Koalition nicht entzweien."

Seehofer hält Untersuchungsausschuss für möglich

Die heutige Arbeit des Innenausschusses ist mit der Vernehmung des BKA-Chefs keineswegs beendet. Mit Ausnahme von Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer ist fast das ganze "Who is Who" der großen Koalition anwesend - vor allem auf Seiten der Sozialdemokraten: SPD-Chef Sigmar Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Parlamentsgeschäftsführerin Christine Lambrecht und allen voran SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Den geht die Union in der Causa Edathy besonders hart an, weil sie ihm vorwirft, mit der Veröffentlichung des Informationsflusses Ex-Innen- und Agrarminister Hans-Peter Friedrich ans Messer geliefert zu haben.

Oppermann äußerte sein Bedauern über den Rücktritt von Friedrich . "Mir tut aufrichtig leid, dass durch meine Veröffentlichung Hans-Peter Friedrich zum Rücktritt gebracht wurde", sagte Oppermann am Nachmittag vor seinem Auftritt zur Affäre Edathy im Innenausschuss. "Es tut mir auch persönlich leid." Trotz aller politischen Rivalität hätten beide bei den Koalitionsverhandlungen einander schätzen gelernt. "Ich bin absolut überzeugt, dass er nichts Unrechtes tun wollte", sagte Oppermann über Friedrich.

Seehofer forderte eine lückenlose Aufklärung der Edathy-Affäre schloss weitere personelle Konsequenzen nicht aus. "Jeder Anschein von Mauschelei muss vermieden werden, gerade von einer großen Koalition mit so breiter Mehrheit. Die Aufklärung muss vollständig sein - notfalls auch bis hin zu möglichen personellen Konsequenzen", sagte der bayerische Ministerpräsident am Mittwoch vor Journalisten in Berlin. Wer nach Friedrich noch von seinem Amt zurücktreten müsste, sagte er nicht. Justiz und Bundestag seien nun gefragt. "Wenn es dabei nicht zu Ergebnissen kommt, muss ein Untersuchungsausschuss einberufen werden." Seehofer erklärte, er sei erschüttert über den Verlauf der Affäre.

Gysi befürchtet Kuhhandel der Regierung

Ausschussvorsitzender Bosbach glaubt an einen Tippgeber in der Affäre um Edathy. "Ich gehe davon aus, dass Herr Edathy gewarnt worden ist", sagte Bosbach vor der Sitzung des Innenausschusses. Die Beteiligten müssten nun Klartext reden. Andernfalls werde der Ruf nach einem Untersuchungsausschuss immer lauter.

Das niedersächsische Justizministerium hat bislang keine Hinweise, dass Edathy vor den Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts auf Besitz von kinderpornografischem Material gewarnt wurde. "Die Frage 'Gab es einen Informanten?' kann ich ihnen nicht beantworten. Natürlich wird deswegen ermittelt", sagte Justizstaatssekretär Wolfgang Scheibel im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des niedersächsischen Landtags in Hannover.

Bosbach widersprach der Darstellung, dass man jetzt inhaltliche Zugeständnisse von der SPD verlange. "Ich habe den Zusammenhang zwischen der Affäre Edathy und der Pkw-Maut noch nicht erkannt." Zuvor hatte Linksfraktionschef Gregor Gysi die große Koalition vor einem politischen Kuhhandel zur Glättung der Wogen in der Edathy-Affäre gewarnt. Zugeständnisse der SPD an die CSU, zum Beispiel bei der Pkw-Maut, seien nicht erklärbar und würden den Ruf von Politikern schädigen, sagte Gysi im Deutschlandfunk. "Wenn so ein Deal stattfindet - was ist dann Politik?" Gysi äußerte die Befürchtung, dass "wir alle in einen Sack geworfen werden".
Der am Freitag zurückgetretene Friedrich wird nicht in den Ausschuss kommen, was die Grünen kritisierten. Rückendeckung erhielt er dafür aus seiner Partei. "Herr Friedrich hat alles zu dem Fall gesagt und ich kann gut verstehen, dass er nicht kommt", sagte Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Der sieht Oppermann in einer Bringschuld. "Jetzt kann er beweisen, ob er wirklich der Stabilitätsanker ist, wie er selbst gesagt hat."

Grüne: Kanzlerin hat kein Interesse an Aufklärung

Die Grünen werfen Kanzlerin Merkel mangelndes Interesse an der Aufklärung vor. Merkel agiere wie eine Beobachterin, die das Geschehen von außen kommentiere, kritisierte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Britta Haßelmann. "Da kann man aber nicht nur präsidieren. Sie ist die Chefin." Vor der Sitzung des Innenausschusses bekräftigte Haßelmann, es gehe um knallharte Aufklärung. Die Beziehungsprobleme von Union und SPD interessierten nicht: "Uns geht es darum: Wer wusste wann was?"

Über das Treffen von Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel am Dienstagabend ist bisher noch nicht viel nach außen gedrungen. "Sie können gewiss sein, dass das Verantwortungsbewusstsein im Mittelpunkt dieses Gespräches gestanden hat", sagte Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Mittwoch in Berlin mit Blick auf das Treffen der drei Parteichefs. "Es gibt das konkrete Ergebnis, dass sich alle drei Parteivorsitzenden (...) noch einmal bestärkt haben in diesem Verantwortungsbewusstsein, und dass in diesem Geist natürlich die Regierung weiter geführt wird." Zum einen ist das Treffen wohl auch ein Test für die Zurückgewinnung von Vertraulichkeit. Zum anderen weiß keiner von den dreien, wer sich heute vor dem Ausschuss in neue Widersprüchlichkeiten verstrickt in einem an Widersprüchen reichen Fall. Dann wäre wohl jede Botschaft des Neustarts wieder obsolet. (mit elsi/dpa/rtr)

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