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Vieles deutet auf einen neuen NPD-Verbotsantrag hin.

© dpa

Innenministerkonferenz: Neuer Antrag für NPD-Verbot rückt näher

Erst hat Niedersachsen seine ablehnende Haltung aufgegeben, nun machen vermutlich auch Hessen und das Saarland mit bei einem neuen NPD-Verbotsantrag. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich zeigte sich meist skeptisch, nun sieht man sich im Bundesinnenministerium gut gerüstet.

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Der Weg zu einem zweiten Versuch, die NPD zu verbieten, ist offenbar frei. Wie der Tagesspiegel aus Sicherheitskreisen erfuhr, werden nach Niedersachsen vermutlich auch Hessen und das Saarland den Widerstand gegen einen Antrag beim Bundesverfassungsgericht aufgeben. Es seien einmütige Entscheidungen bei den Treffen der Innenministerkonferenz (IMK) am kommenden Mittwoch in Rostock-Warnemünde und der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag in Berlin möglich, hieß es. Einer der Befürworter eines Verbotsverfahrens, Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), sagte am Freitag auf Anfrage, „ich schließe nicht aus, dass es bei der Innenministerkonferenz einen einstimmigen Beschluss geben wird“.

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hatte kürzlich seine ablehnende Haltung aufgegeben und die Front der Skeptiker aufgebrochen. Schünemann begründete seinen Wechsel ins Lager der Befürworter mit einem Gutachten, das er in Auftrag gegeben hatte. In dem Papier kamen der Vizepräsident des Sozialgerichts Karlsruhe, Franz Wilhelm Dollinger, und der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht Hans-Joachim Jentsch zu dem Ergebnis, ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei habe „hinreichende Erfolgsaussichten“.

Sicherheitsexperten betonten, mit dem Wegfall Niedersachsens könne sich Hessen, nur mit dem kleinen Saarland an seiner Seite, nicht mehr gegen die Befürworter eines Verfahrens behaupten. Und aus dem saarländischen Innenministerium verlautete am Freitag, man gehe „ergebnisoffen“ zum Treffen der IMK. Zuvor hatte Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) noch Zweifel an den Chancen eines zweiten Anlaufs in Karlsruhe geäußert. Unterdessen hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens einen 141 Seiten umfassenden Schlussbericht vorgelegt. Er basiert auf der Analyse der von den Verfassungsschutzbehörden erstellten, umfangreichen Materialsammlung für ein mögliches Verbotsverfahren. Die Arbeitsgruppe mit etwa 30 Verwaltungsjuristen aus den Innenministerien wagt allerdings keine Vorhersage, ob ein Verbot der NPD möglich ist. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei „nicht prognostizierbar“, heißt es in einem Brief zum Prüfergebnis, den Stahlknecht und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am Mittwoch dem Amtskollegen aus Mecklenburg-Vorpommern und Vorsitzenden der IMK, Lorenz Caffier (CDU), schickten. Die Arbeitsgruppe ließ offen, ob die in der Materialsammlung aufgelisteten Beweise für eine „aktiv-kämpferische, aggressive Grundhaltung“ der NPD gegen die demokratische Grundordnung der Bewertung durch das Bundesverfassungsgericht „standhalten werden“.

Am Freitag hieß es im Bundesinnenministerium, man sei gut gerüstet für ein mögliches Verbotsverfahren. Bund und Länder hätten 2649 Belege gesammelt um einen Antrag zu begründen. Friedrich hatte sich zuvor skeptisch geäußert. Man habe, so verlautete aus dem Ministerium, sorgfältig und sauber gearbeitet. Gleichzeitig hieß es im Haus von Friedrich, dass man Chancen und Risiken genau abwägen müsse. Vor allem die strengen Voraussetzungen für ein Verbotsantrag müssten berücksichtigt werden.

Und es gibt Widerstand beim Koalitionspartner FDP. Stefan Ruppert, Innenexperte und Berichterstatter der FDP-Fraktion in Sachen NPD, sagte dem Tagesspiegel, er bleibe ein Gegner des Verbotsverfahrens. Zum einen aus der ganz grundsätzlichen Überzeugung, dass man rechtsextreme Gesinnungen eben nicht durch ein Parteiverbot bekämpfen könne. Zum anderen habe das Bundesverfassungsgericht nach dem ersten Verbotsantrag hohe Hürden für ein neues Verfahren aufgestellt. "Ich kann nicht beurteilen, ob die Materialsammlung der Innenminister für ein neues Verfahren hinreichend ist. Der Bundestag hat bisher noch keinen Zugriff auf die Sammlung erhalten", sagte Ruppert.

Auch die Grünen kritisieren, dass der Bundestag noch keinen Einblick in diese Materialsammlung hatte. Erst wenn diese vorliege, sagte Fraktionschefin Renate Künast am Freitag, könne der Bundestag entscheiden. Sie warnte davor, dass der Bundestag unter Zugzwang geraten könne. „Wir werden einen Wahnsinnsdruck haben, wenn der Sog dahingeht und die letzten Zweifler sich auch dahin bewegen“, sagte Künast. Wolfgang Wieland, Befürworter eines neuen Verbotsantrags, sieht auf seine Fraktion Diskussionen zukommen. Aber: Die Ermittlungen zur Nazi-Terror-Organisation NSU hätten die NPD in ein neues Licht gerückt, sagte Wieland. „Neu ist, dass die NPD ein Glied in der Kette der gewalttätigen Rechtsterroristen geworden ist.“ Ein "Allheilmittel" sei ein Verbot aber nicht. Wieland kritisierte Friedrich für seine unentschlossene Haltung. Obwohl er alle Akten kenne, verhalte er sich wie Hamlet in der Tragödie von William Shakespeare nach dem Motto: „Verbot oder Nichtverbot, das ist hier die Frage.“

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