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Innenpolitik: Zuschauen und schimpfen

Die CDU tut sich schwer, auf die Annäherung zwischen SPD und Linken zu reagieren. Einige Unionspolitiker sorgen sich bereits um die Bundestagswahlen in 18 Monaten, denn bei vielen Wählern ist Die Linke nicht mehr nur ein Schreckgespenst.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Ronald Pofalla hat eine Weile gebraucht, bis er den Säbel in der Waffenkammer des Konrad-Adenauer-Hauses gefunden hat, aber am Freitag endlich haut der CDU-Generalsekretär tapfer drein. „Herr Beck, wie können Politiker überhaupt Steuersünder glaubwürdig kritisieren, wenn sie gleichzeitig bereit sind, Wähler zu belügen?“, fragt Pofalla rhetorisch-polemisch. Unionsfraktionschef Volker Kauder kommt ohne solchen Umschweif zur Sache. Wenn die SPD- Kandidatin Andrea Ypsilanti in Hessen sich mit den Stimmen der Linkspartei und dem Segen ihres Bundesparteichefs zur Ministerpräsidentin wählen ließe, „dann wäre das brutaler Wortbruch“.

Das klingt martialisch, und es soll auch so klingen. In Wahrheit herrscht in den Führungszirkeln der Union über den jüngsten Zug des SPD-Chefs Kurt Beck weniger Empörung als schulterzuckende Nüchternheit. Beck, lautet die Analyse, bereite einer Entwicklung den Weg, an dessen Ende die viel beschworene linke Mehrheit ihn tatsächlich an die Macht bringen könnte. Legt man aktuelle Umfragewerte zugrunde, reichten ihm 33 SPD-Prozente zur rot-rot-grünen Kanzlerschaft. „Es braut sich was zusammen“, schwant einem Christdemokraten.

Der Union bleibt dabei wenig mehr, als zuzuschauen und auf Becks neue Linie zu schimpfen. Unfreiwillig legt Kauder das Dilemma offen dar. „Ich glaube nicht, dass die SPD das mitmachen wird“, sagt der Fraktionschef dem „Stern“. Aber dass auf die inneren Widersprüche der SPD im Ernst kein Verlass ist, hat die Union erfahren müssen, als der Machtmensch Beck sich gegen den Überzeugungspolitiker Franz Müntefering durchsetzte.

Hinter den Kulissen herrscht denn auch ein recht illusionsloser Ton. Zwar hofft der ein oder andere in der Union, dass eine Kooperation mit dem Fahnenflüchtling Oskar Lafontaine für die SPD doch eine härtere Nuss wäre als seinerzeit der Streit ums Arbeitslosengeld I. Ein schweres Glaubwürdigkeitsproblem werde an Ypsilanti wie an Beck hängen bleiben, die vor, ja selbst noch nach der Hessen-Wahl jede Art von Zweckverbund mit der Linken ausgeschlossen hatten. „Den Wortbruch lassen wir ihnen nicht durchgehen“, schwört ein Unionsmann. Andere halten die Wirkung solcher Attacken aber für begrenzt. Bis zur Bundestagswahl in 18 Monaten lasse sich die Empörung kaum konservieren.

Dass Becks Manöver genau auf diesen Termin zielt, gilt sogar in der Hessen- CDU als ausgemacht. Die bundespolitische Motivation zeige sich allein darin, dass dem SPD-Chef Nebenwirkungen für die Hamburg-Wahl am Sonntag egal seien, sagt auch ein CDU-Präsidiumsmitglied: „Beck hat Hamburg schon abgeschrieben. Er denkt an sich.“ Unüberhörbar ist dabei die Sorge, dass der SPD-Chef mit seiner Volte sogar richtig liegen könnte. Selbst für viele CDU-Wähler, sagt einer aus dem engeren Zirkel um die Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel, sei die Linke nicht mehr unbedingt ein Schreckgespenst.

Daher teilt in diesen Kreisen niemand den Glauben vieler Konservativer, ein Wahlkampf gegen eine drohende rot-rot- grüne „Linksfront“ gewinne sich quasi von selbst. „Wir werden ganz bestimmt keinen ,Freiheit oder Sozialismus‘-Wahlkampf machen“, sagt ein CDU-Führungsmann. Im Osten funktioniere der nicht, und zur Kanzlerin Merkel passe ein Kulturkampf alter Art auch nicht.

Merkel hat am Donnerstagabend beim Wahlkampfabschluss der Hamburger CDU denn auch nichts von einer Säbelschwingerin. Der SPD sei nicht zu trauen, ist schon ihr härtestes Wort zu Becks Manöver. Die Hauptbotschaft ist eine andere: Die CDU müsse alle ihre eigenen Wähler mobilisieren, um klare Verhältnisse zu schaffen. Das klingt wie eine Vorschau auf 2009.

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