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Politik: Innere Sicherheit im Integrationsprozess: Europäischer Kuhhandel

Tausche verrückte Bullen gegen europäische Polizisten! Diese Assoziation drängt sich beim Streit der EU-Mitgliedstaaten um die rechtliche Kontrolle der europäischen Polizeibehörde Europol unwillkürlich auf.

Tausche verrückte Bullen gegen europäische Polizisten! Diese Assoziation drängt sich beim Streit der EU-Mitgliedstaaten um die rechtliche Kontrolle der europäischen Polizeibehörde Europol unwillkürlich auf. Doch was haben BSE-Krise und die Bemühungen um den Aufbau einer gemeinsamen Polizei eigentlich miteinander zu tun?

Im Grunde nichts und zugleich sehr viel, denn in beiden Fällen geht es um hohe Politik, und hier hängt in Krisenfällen schnell alles miteinander zusammen. Wie in solchen Situationen gepokert wird, kann man in Wilhelm Knelangens Buch nachlesen. So sollte 1995 / 96 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Straßburg nach dem Willen einer Mehrheit der EU-Staaten bei Streitigkeiten zwischen Bürgern und Europol sowie zwischen Europol-Mitarbeitern und ihrer Behörde in begrenztem Rahmen Entscheidungskompetenzen übertragen werden. Insbesondere die britische Regierung lehnte dieses Vorhaben jedoch strikt ab. Damit waren die langjährigen Verhandlungen um die Aufstellung der Euro-Cops zum wiederholten Male festgefahren.

Im Sommer 1996 war die Situation ohnehin schon stark angespannt. Wegen des in Großbritannien ausgebrochenen Rinderwahnsinns weigerte sich die Gemeinschaft, die britischen Rinder auf das Festland gelangen zu lassen. Kurzerhand koppelten die Briten ihre Exportschwierigkeiten mit dem Europol-Streit und blockierten hier alle weiteren Verhandlungen mit ihrem Veto. Die Rechnung ging auf. Bei der Suche nach einem Kompromiss in der Europol-Frage kamen die übrigen EU-Mitglieder den Briten schließlich nicht nur bei der BSE-Problematik entgegen. Auch bei den EuGH-Bestimmungen gewährten sie ihnen eine Ausnahmeregelung. Für britische Staatsbürger ist der Gerichtshof nun nicht zuständig.

Dieses Beispiel von Blockadepolitik ist nicht der einzige "Kuhhandel" bei der mittlerweile 25 Jahre dauernden Herausbildung einer gemeinsamen Politik innerer Sicherheit. Der Weg von den ersten Kooperationsgremien von EG-Mitgliedsstaaten im Sicherheitsbereich Mitte der 70er Jahre bis zur offiziellen Arbeitsaufnahme von Europol am 1. Juli 1999 in Den Haag war lang. Gemeinsame Interessen mussten definiert werden, staatliche Souveränitätsrechte zum Teil auf die Gemeinschaft übertragen und Rechtsnormen angeglichen werden.

Ein solcher - bis heute nicht abgeschlossener - Prozess birgt naturgemäß viele Stolperfallen. Aber, wie das Eingangsbeispiel deutlich macht, zugleich auch vielfältige Möglichkeiten politisch völlig andere Interessen durchzusetzen. Einige lässt Knelangen immer wieder in seine Analyse über den langwierigen Prozess zu einer institutionalisierten Polizeikooperation innerhalb der EU einfließen. Dies hebt seine Darstellung zunächst positiv von der rein polizeilichen Fachliteratur ab, die sich überwiegend auf organisatorische und polizeipraktische Fortschritte oder Schwierigkeiten bei Europol konzentriert. Und es unterscheidet sein Buch von den wenigen Beiträgen und Büchern anderer Autoren, die sich meistenteils mit dem unmittelbaren Aufbau der EU-Polizei, ihrer mangelnden demokratischen Kontrolle und der Einschränkung von Bürgerrechten beschäftigen. Die Auseinandersetzung mit diesen Konfliktfeldern bildet auch einen Schwerpunkt in Knelangens faktenreichem Buch. Da es sich um eine politikwissenschaftliche Dissertation handelt, leidet sein Buch jedoch an einem weit verbreiteten Problem: Der universitäre Sprachgebrauch und Schachtelsätze hemmen den Lesefluss immer wieder.

Otto Diederichs

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