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Offenkundige Versäumnisse. Innenminister Thomas de Maizière.

© dpa

Innere Sicherheit: Thomas de Maizière: Der Anti-Schily

Die schwarz-gelbe Regierung streitet um die Sicherheit im Land – im Mittelpunkt steht Angela Merkels Innenminister - Thomas de Maizière.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wirkt, als wäre sie erstaunt. Ob sich die Justizminister von Bund und Ländern bei ihrem Herbsttreffen am Donnerstag auch mit der Luftfracht-Sicherheit befasst hätten, hat ein Journalist gefragt. „Nein“, sagt die Bundesministerin. Tatsächlich fällt das Thema nicht in ihr Fach. Wenn die FDP-Politikerin schon seit zwei Tagen an der Spitze derer marschiert, die Sicherheitslücken und Versäumnisse anprangern, dann muss das also andere Gründe haben.

Schwer zu erraten sind die nicht. Sie tragen sogar einen Namen: Thomas de Maizière. Der Innenminister von der CDU hat der Kollegin bisher wenig Gelegenheit gegeben, mit ihren Einwänden gegen Sicherheitsmaßnahmen durchzudringen. Zuletzt hat de Maizière Leutheussers Bedenken ausgerechnet bei der geplanten Einführung von Ganzkörper- Scannern für Flugpassagiere schlicht beiseite geschoben. Der Minister ließ sich sogar demonstrativ durchleuchten.

Im Frühstücksfernsehen übt Leutheusser harmlos lächelnd Revanche. „Die Politik“, sagt die Liberale, habe sich seit den Terroranschlägen vom 11. September „zu einseitig auf Personenkontrollen, auf Eingriffe in Bürgerrechte konzentriert“. Namen nennt sie nicht, merkt nur maliziös an, dass es für „Innenpolitiker“ einfacher und billiger sei, mit Gesetzen auf neue Gefahren zu reagieren, als Defizite im Vollzug zu beheben. Ausdrücklich gibt Leutheusser den Polizeigewerkschaften Recht, die den Abbau von 10 000 Stellen bei Land und Bund beklagen und de Maizière schon aufgefordert haben, die geplante Streichung von 1000 Stellen bei der Bundespolizei rückgängig zu machen. Das müsse man, sagt Leutheusser, genau hinterfragen: Die Frage, „was kostet was und wie hält man’s einfach und schlank“ dürften jetzt keine zentrale Rolle spielen.

De Maizière hat die Stichelei genau mitbekommen, aber bisher nicht reagiert. Tatsächlich erwischt sie ihn in einem schwierigen Moment. Flugpassagiere müssen ihre Zahnpasta aus dem Handkoffer vorzeigen, während zur gleichen Zeit im Frachtraum Höllenmaschinen unbemerkt alle Grenzen überfliegen – die Versäumnisse sind offenkundig.

Dass sie es offenkundig seit Jahrzehnten sind, hilft dem derzeitigen Amtsinhaber wenig. Zumal nicht nur die Galionsfigur der liberalen Bürgerrechtsbewegung, sondern auch die Hardliner der eigenen Seite ihm das Leben schwer machen. Öffentlich halten sie sich zurück. Hinter vorgehaltener Hand ist Schadenfreude aus dieser Ecke zu hören. Innenminister sei eben doch ein harter Job, der sich nicht als Wohlfühl-Veranstaltung organisieren lasse, sagt einer.

Tatsächlich hat de Maizière von Anfang an versucht, sich vom traditionellen Image des Hochsicherheitsministers zu lösen. Wo Otto Schily den harten Hund herauskehrte und Wolfgang Schäuble sich als Warner vor den Gefahren des Terrorismus profilierte, legt de Maizière die Betonung auf nüchterne, fast schon zurückhaltende Amtsführung. Kein Internet-Freak käme auf die Idee, den Mann als Schreckgespenst „Thomas 2.0“ an Laternenpfähle zu kleben – hat er doch sofort nach Amtsantritt den Dialog mit der Szene gesucht. Als die Bombenpäckchen aus dem Jemen entdeckt wurden und praktisch gleichzeitig griechische Anarchisten das Kanzleramt zum Ziel nahmen, mahnte er zu Ruhe und Augenmaß. Selbst Angela Merkel („Jeder Einzelne ist zur Wachsamkeit aufgerufen“) klingt inzwischen alarmierter als ihr oberster Hüter der Sicherheit.

Der Nachfahre gesinnungsstrenger Hugenotten bleibt trotzdem bei seiner Linie. Erst die Analyse der Probleme, dann die Lösung, nicht umgekehrt – in dieses Verfahren hat er sich schon von den eigenen Truppen nie hineinreden lassen. Von der freidemokratischen Kollegin wohl erst recht nicht.

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