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Politik: Ins Gefängnis – für immer

Der Hauptangeklagte im Prozess um die Terroranschläge in Istanbul droht noch aus dem Gerichtssaal

Louai Sakka blieb bis zum Schluss der Mittelpunkt des bisher größten Al- Qaida-Prozesses in Europa. Am letzten Verhandlungstag im Verfahren gegen 73 mutmaßliche Hintermänner der Istanbuler Terroranschläge vom November 2003 versprach der Hauptangeklagte seinen Gesinnungsgenossen: „Ich komm’ raus und ziehe mit euch in den Dschihad. Der Sieg ist nah.“ Nach einer rund zehnstündigen Verhandlung wurde der Syrer Sakka am Abend zur Höchststrafe nach türkischem Strafrecht verurteilt: lebenslänglich ohne Aussicht auf vorzeitige Entlassung. Sechs türkische Komplizen erhielten ebenfalls lebenslange Haftstrafen, andere langjährige Gefängnisstrafen. Einige wurden freigesprochen. Mit den Urteilen gingen die Richter über die Forderung der Anklage hinaus.

Nach Überzeugung des Gerichts war der heute 34-jährige Sakka die Schlüsselfigur bei den Anschlägen vom 15. und 20. November 2003, bei denen 63 Menschen starben. Die Anschlagsserie war die schlimmste in der Geschichte der Türkei: Selbstmordattentäter in sprengstoffbeladenen Kleinlastern zielten auf zwei Istanbuler Synagogen, das britische Konsulat sowie eine britische Bank in der Stadt. Einige der Tatbeteiligten sollen sich vor den Anschlägen mit Al-Qaida-Chef Osama bin Laden getroffen haben.

Sakka war den Ermittlungen zufolge das Scharnier zwischen der türkischen Zelle und Al Qaida. Er soll den Tätern Geld übergeben haben – rund 100 000 Dollar, angeblich in einem Strumpf versteckt. Nach den Anschlägen bot Sakka einigen Komplizen Unterschlupf in Syrien. Später sollen die Islamisten nach Irak gereist sein, wo Sakka ein enger Verbündeter des damaligen irakischen Al-Qaida- Chefs Abu Musab al Zarkawi war. Sakka wurde 2005 im Süden der Türkei gefasst, wo er einen Sprengstoffanschlag auf ein israelisches Kreuzfahrtschiff vorbereitete.

Während des Prozesses in Istanbul machte Sakka mehrmals Schlagzeilen. So behauptete er, an der Enthauptung einer britischen Geisel im Irak beteiligt gewesen zu sein. Der letzte Prozesstag zog sich bis in den Abend, weil einige Angeklagte lange persönliche Erklärungen verlesen wollten. Einer der Beschuldigten, Harun Ilhan, bezeichnete die laizistische Staatsordnung der Türkei als „Gotteslästerung“. Der Richter ließ ihn aus dem Saal entfernen, nachdem Ilhan sich geweigert hatte, seine 700 Seiten starke Erklärung abzukürzen.

Am letzten Verhandlungstag herrschten scharfe Sicherheitsvorkehrungen. Nach Presseberichten reagierten die türkischen Behörden damit auf Warnungen des US-Geheimdienstes CIA. Dieser soll Hinweise gehabt haben, dass Sakka mit einer spektakulären Aktion aus dem Gerichtssaal befreit werden sollte. Für den Transport von einem Hochsicherheitsgefängnis im Süden Istanbuls zum Schwurgericht im Zentrum der Stadt wurde eine der beiden Autobahnbrücken über den Bosporus vorübergehend gesperrt.

Seit den Anschlägen von 2003 geht die türkische Polizei immer wieder systematisch gegen islamistische Gruppen vor, um den Aufbau neuer Terrorzellen zu verhindern. Zuletzt wurden Ende Januar fast 40 mutmaßliche Al-Qaida-Anhänger verhaftet. Nach Fernsehberichten hatten sie Ammoniumsulfat für eine Bombe gebunkert – denselben Stoff, den auch die Istanbuler Bombenbauer verwendet hatten.

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