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Integration: Das Ende der Ignoranz

Islamische Organisationen hoffen auf eine neue Politik.

Berlin - Der Innenminister ruft zur großen Islam-Konferenz, und alle wollen kommen. Gern sogar. Wenn im September, wie Wolfgang Schäuble angekündigt hat, Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden mit den Vertretern muslimischer Organisationen zusammensitzen werden, um in einem "offenen Prozess" über Integration, Migration und Religion zu sprechen, sind sie dabei. Enttäuschung wird im Gespräch nur hörbar, wenn es um die Vergangenheit geht. "Die Politik hat die Muslime bisher regelrecht ignoriert", sagt Ali Kizilkaya, der Vorsitzende des Islamrats. Der Islam werde noch immer als "Auslandsreligion" behandelt, "dabei ist er längst in Deutschland angekommen. Wir sind deutsche Staatsbürger, das hat die Politik bisher nicht zu lesen verstanden." Das werde hoffentlich anders. "Es bewegt sich etwas. Und das ist wichtig und richtig."

Als Ziel der Konferenz hatte Schäuble eine Art "Gesellschaftsvertrag" mit dem islamischen Teil der Bevölkerung genannt. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte, mit der Konferenz werde das im Koalitionsvertrag geplante Vorhaben umgesetzt, einen intensiven Dialog mit den großen christlichen Kirchen sowie mit Juden und Muslimen zu führen.

Die großen islamischen Organisationen in Deutschland hatten in der Vergangenheit gelegentlich Probleme, sich gemeinsam zu äußern; der großen Demonstration "Gemeinsam für Frieden und gegen Terror" zum Beispiel, an der im November 2004 in Köln mehr als 20 000 Muslime teilnahmen, blieb der Islamrat fern. Im Februar 2005 aber fanden sie sich erstmals zu einer Aktion zusammen. Damals appellierten der Zentralrat der Muslime, der Islamrat und die Ditib, die Muslimvereinigung unter Aufsicht der türkischen Regierung, an die Entführer der Journalistin Giuliana Sgrena. Alle drei Verbände baten um Freilassung von Sgrena, die für die italienische Tageszeitung "il manifesto" und für die "Zeit" aus dem Irak berichtet hatte.

Seit dem Januar 2005 gibt es Gespräche zwischen den islamischen Vereinigungen in Deutschland mit dem Ziel, dass man sich in absehbarer Zeit unter einem einzigen Dach organisiert. Die Verhandlungen, so ist von Eingeweihten zu hören, haken zwar immer wieder an Detailfragen, aber es gibt nach wie vor regelmäßige Konsultationen. Das Argument, es gebe auf islamischer Seite zu viele Stimmen und zu wenig Einigkeit, will Ali Kizilkaya vom Islamrat allerdings nicht gelten lassen: "Es gab vielleicht nicht den einen Ansprechpartner, aber Ansprechpartner gab und gibt es. Es gab aber bisher auf der anderen Seite keine Islampolitik, sondern eine Politik der Distanzierung gegenüber dem Islam und auch gegenüber den Migranten." Deshalb sei das Angebot von Bundesinnenminister Schäuble "ein wichtiger Schritt in die Normalität. Was wir bisher hatten, war nicht normal." Wozu vielleicht auch gehört, dass das Innenministerium bisher noch keine vorbereitenden Gespräche geführt oder Einladungen an die Verbände geschickt hat. (Von Andrea Dernbach)

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