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Politik: „Integration lässt sich nicht befehlen“

Rot-Grün fürchtet um inneren Frieden / CSU will Ausländern „bei Bedarf“ Sozialleistungen kürzen

Berlin - Mit heftiger Kritik an der Idee einer multikulturellen Gesellschaft und der Forderung nach Anpassung an eine deutsche Leitkultur haben CDU und CSU die Debatte um die Integration von Muslimen in Deutschland am Wochenende verschärft. Nach dem Willen der CSU sollen dauerhaft in Deutschland lebende Ausländer „unsere Rechts- und Werteordnung und unsere Leitkultur vollständig akzeptieren“. In einem entsprechenden Antrag das bayerischen Innenministers Günther Beckstein, der am Samstag auf dem Münchener Parteitag einstimmig verabschiedet wurde, verlangt die CSU überdies, Sozialleistungen an Integrationserfolge zu koppeln und staatliche Leistungen „bei Bedarf“ konsequent zu kürzen.

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) forderte ebenfalls, Zuwanderer müssten „die deutsche Leitkultur übernehmen“. Die Deutschen hätten nicht nur eine gemeinsame Sprache, sondern auch kulturelle Umgangsformen und Gesetze. Man dürfe nicht zulassen, „dass diese Basis der Gemeinsamkeit von Ausländern zerstört wird“, sagte Schönbohm dem „Spiegel“. Zugleich warf er einem Teil der in Deutschland lebenden Ausländer vor, hierzulande Ghettos gegründet zu haben, „weil sie uns Deutsche verachten“.

CDU-Chefin Angela Merkel vermied es, den Begriff Leitkultur zu verwenden, erklärte aber die Idee der multikulturellen Gesellschaft für „dramatisch gescheitert“. Wer in Deutschland lebe, müsse „ohne Wenn und Aber auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und unsere christlich-abendländischen Wurzeln tolerieren“, sagte sie dem „Focus“. Ähnlich äußerte sich CSU-Chef Edmund Stoiber. Auf dem Parteitag in München verlangte er ein eindeutiges Bekenntnis der Zuwanderer „zu Deutschland und seinen Werten. Klar gegen eine Debatte über den „missverständlichen Begriff Leitkultur“ sprach sich einzig CDU-Fraktionsvize Wolfgang Schäuble aus. Es bestehe die Gefahr, dass nur über Begriffe und nicht über die Sache gesprochen werde.

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer warnte die Union vor einer „Ausgrenzungsdiskussion, die vor allem Konfrontationen schürt“. Jede Rhetorik, die Millionen gesetzestreuer Ausländer in Deutschland mit Extremisten über einen Leisten schlage, sei „verantwortungslos und brandgefährlich“, sagte Bütikofer dem Tagesspiegel. „Es darf nicht dazu kommen, dass rhetorisch wieder einer allgemeinen Hetze gegen Ausländer der Boden bereitet wird.“ Für eine erfolgreiche Integration sei die kulturelle Offenheit der Gesellschaft ebenso notwendig wie die Anerkennung der demokratischen Werte durch die Zuwanderer. Die Grünen würden deshalb für die Idee einer „multikulturellen Demokratie“ werben.

Auch der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz rief die Union zur Mäßigung auf. „Wer Integration will, muss eine Atmosphäre dafür schaffen. Das lässt sich nicht im Feldwebelton befehlen“, sagte er dem Tagesspiegel. Die Integration von Ausländern sei ebenso wichtig wie die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit. „Es geht um den inneren Frieden in unserem Land.“

Nach Ansicht von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) darf sich Deutschland nicht in einen Kampf der Kulturen drängen lassen. Bei der Verleihung des Preises für Verständigung und Toleranz des Jüdischen Museums an Altbundespräsident Johannes Rau rief er die Muslime zu mehr Integrationsbereitschaft auf. Keine Kultur dürfe sich aus dem „gesellschaftlichen Gefüge herauslösen“, sagte Schröder bei der Veranstaltung am Samstagabend.

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