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65. Jahrestag: Polen streitet um Warschauer Aufstand

Am 1. August ist der 65. Jahrestag des Warschauer Aufstandes. Doch statt des Ereignisses in Würde zu gedenken, werfen sich auch in diesem Jahr polnische Politiker gegenseitig vor, den Tag für Parteipolitik zu missbrauchen.

Am 1. August, Punkt 17 Uhr, heulen in Polen die Sirenen und das ganze Land wird für eine Minute stillstehen. Es ist die „Stunde W“. Der Buchstabe steht für „wybuch“ (Ausbruch). Am 1. August 1944 erhoben sich in Warschau 50 000 Kämpfer der polnischen Untergrundtruppe Armia Krajowa (Heimatarmee) gegen die deutschen Besatzer. Zwei Monate dauerte der brutale Häuserkampf, am Ende wurden in den Ruinen der völlig zerstörten Stadt fast 200 000 Tote gezählt.

In den Jahrzehnten des Kommunismus wurde das Gedenken an den Aufstand unterdrückt. Das Regime wollte nicht, dass die Rolle der Roten Armee diskutiert wird, die zu jener Zeit bereits in der Stadt am Ostufer der Weichsel lag und dem Morden tatenlos zusah. Die Kämpfer der Heimatarmee wurden sogar noch verhöhnt, weil sie sich in einen aussichtslosen Kampf gestürzt hätten. Erst nach dem Zerfall der Sowjetunion gewann der Warschauer Aufstand an Bedeutung und ist inzwischen zu einer Art Gründungsmythos der Republik Polen geworden.

Veteranen wollen Politiker vom Gedenken fernhalten

Doch statt des Ereignisses in Würde zu gedenken, werfen sich auch in diesem Jahr polnische Politiker gegenseitig vor, den Tag für Parteipolitik zu missbrauchen. Die Vertreter der Verbände der Aufständischen appellierten deshalb an alle Politiker, den Feiern fern zu bleiben. Mit Grausen erinnern sie sich an den Festakt im vorigen Jahr, als der Regierungsvertreter Wladyslaw Bartoszewski, der bei dem Aufstand vor 65 Jahren mitgekämpft hatte, von der national-konservativen Opposition gnadenlos ausgebuht wurde.

Inzwischen ist sogar zu befürchten, dass die Auseinandersetzung um das Gedenken nur das Vorspiel zu einem weit größeren Streit um den Festakt am 1. September anlässlich des 70. Jahrestags des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges bilden könnte. Die Lunte dazu hat in diesen Tagen der Kanzleichef des Präsidenten Lech Kaczynski, Wladyslaw Stasiak, gelegt. Der hat sich für einen „offenen Dialog“ mit Moskau über die Geschehnisse im Jahr 1939 ausgesprochen. Die Rote Armee hatte zwei Wochen nach dem Überfall Deutschlands auf Polen die Grenze überschritten. Die Grundlage des Einmarsches bildete der Hitler-Stalin-Pakt, in dem die Diktatoren ihre Einflusszonen nach der Niederwerfung Polens festlegten.

Vor allem für nationalkonservative Kreise wäre die Teilnahme des russischen Präsidenten oder Premiers an den Feierlichkeiten auf der Westerplatte bei Danzig am 1. September eine Provokation. Polens Premier Donald Tusk versucht bisher, die Diskussion um den Termin nicht eskalieren zu lassen. Sein lapidarer Hinweis: Wladimir Putin habe bisher weder zu- noch abgesagt.

Knut Krohn

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