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Wahl in Afghanistan: „Karsai ist korrupt, Abdullah ist korrupt“

Die Verkündung des Endergebnisses der Wahl wird sich um Wochen verzögern. 15 afghanische Präsidentschaftskandidaten fordern derweil Neuwahlen – und machen dem Amtsinhaber und seinem Rivalen schwere Vorwürfe.

Neu-Delhi - Die Kritik an den verpatzten Präsidentschaftswahlen in Afghanistan wächst. 15 der insgesamt 35 Bewerber um das Spitzenamt fordern, die Wahlen zu wiederholen. „Diese Wahlen sind nicht glaubwürdig. Überall in Afghanistan hat es massiven Wahlbetrug und Stimmendiebstahl gegeben“, kritisierte Bashir Ahmad Bizhan, der Sprecher der 15 Kandidaten, am Montag in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel. Bizhan ist Journalist und steht in Opposition zu Präsident Hamid Karsai. Angebote, dessen Regierung anzugehören, schlug er aus. Sein Kampf gilt vor allem der Korruption.

Entgegen dem Eindruck im Westen gilt der Vorwurf des Wahlbetruges keineswegs allein Amtsinhaber Karsai. Auch sein wichtigster Rivale Abdullah Abdullah wird des Betruges in großem Stil verdächtigt. Beide Männer hätten Stimmen erschwindelt und gefälscht, meinte Bizhan. „Karsai ist korrupt, Abdullah ist korrupt.“ Aufgrund der groß angelegten Verfälschungen könne nur eine Wiederholung der Wahlen ein einigermaßen legitimes Ergebnis sichern.

Wahlpapiere und die Wahlinfrastruktur seien noch vorhanden, so dass der Urnengang im Oktober oder November wiederholt werden könne, meinte Bizhan. Zwar will die vom Westen finanzierte Wahlbeschwerdekommission hunderten Beschwerden über Wahlbetrug nachgehen. Bizhan zweifelte allerdings an ihrer Unparteilichkeit. Bei den Parlamentswahlen 2005 habe die Kommission einflussreiche, mächtige Kandidaten bevorteilt.

Nach Angaben der Unabhängigen Wahlkommission (IEC) von der vergangenen Woche erhielt Amtsinhaber Karsai nach Auszählung von 95 Prozent der Wahlurnen im ersten Durchgang bereits die absolute Mehrheit von 54,3 Prozent der Stimmen, Abdullah kam auf 28,1 Prozent.

Besorgt zeigte sich Bizhan über die Situation in Kundus, dem Einsatzgebiet der Bundeswehr im Norden. Dort habe sich die Sicherheitslage in den vergangenen sechs Monaten dramatisch verschlechtert. „Kundus ist nun sehr gefährlich.“ Die Taliban hätten offenbar den Befehl, gezielt die Deutschen sowie die Franzosen zu attackieren. Dabei handele es sich nicht nur um afghanische, sondern auch um ausländische Taliban – etwa aus Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan und Pakistan. Zurückhaltend äußerte er sich zu dem Luftangriff auf zwei von den Taliban entführte Tanklaster, bei dem auch Zivilisten getötet wurden. Die Deutschen, die das Bombardement angefordert haben, hätten offenbar falsche Informationen über die Lage am Boden erhalten, vermutete Bizhan. Zum Zeitpunkt des Luftangriffs hätten dort Dorfbewohner kostenlos Benzin eingesammelt: „Die Menschen dort sind sehr arm. Sie haben kein Geld, keine Arbeit. Sie wollten Benzin abzapfen.“

Die Deutschen sind nach Angaben von Bizhan allerdings – völlig anders als die Amerikaner – sehr beliebt in Afghanistan. „Die Afghanen mögen die Deutschen sehr.“ Der Journalist äußerte Kritik an den USA. Der Kampf gegen die Taliban sei nur ein Vorwand für ihren Einsatz am Hindukusch, sagte er. Tatsächlich seien die USA aus wirtschaftlichen und militärischen Gründen in Afghanistan, um ihren Einfluss in dem geostrategisch wichtigen Land zu sichern.

Christine Möllhoff

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