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Regenwald

© dpa

Klima: Die Lunge der Welt keucht

Im Regenwald wird es eng: Die Lage ist drastischer als erwartet. 2030 könnte schon mehr als die Hälfte zerstört sein. Rettung soll nun ein Geschäft mit Großbritannien bringen.

Es ist ein einmaliges Angebot, das der Präsident von Guyana Großbritannien da auf dem Präsentierteller bietet: einen ganzen Regenwald, so groß wie England. Er befindet sich im Norden des südamerikanischen Kontinents. Die Guyaner versprechen, den Wald zu pflegen, die Bäume nicht abzuholzen, und wollen im Gegenzug von den ehemaligen Kolonialherren in London Entwicklungsgelder. Das ist ein Deal, der Großbritannien auf einen Schlag für ein Jahr emissionsneutral machen würde - der Regenwald von Iwokrama speichert so viel Kohlenstoff, wie Großbritannien in Form von Kohlendioxid jährlich produziert.

Den Regenwaldnationen ist es ernst mit solchen Vorschlägen. Sie wollen bei der Weltklimakonferenz in Nusa Dua auf Bali ihre Forderungen durchsetzen. Der Schutz der Wälder, die als enorme Kohlenstoffspeicher dienen und das Weltklima regulieren helfen, sollen im nächsten Klimaschutzvertrag als Beitrag zum Klimaschutz anerkannt und vor allem finanziell vergütet wird. "Wir wollen keine Almosen", sagte Guyanas Präsident Bharrat Jagdeo im BBC-Rundfunk. "Es ist ein Geschäft."

Ein wichtiges Geschäft, denn die Zerstörung des Regenwaldes im Amazonas hat nach Einschätzung der Umweltorganisation WWF weitaus drastischere Auswirkungen auf das Weltklima als bisher erwartet. Mehr als die Hälfte des Amazonas-Waldes könnte bis zum Jahr 2030 zerstört sein. Das geht nach einem Bericht der österreichischen Nachrichtenagentur APA aus einer vom WWF in Auftrag gegebenen Studie hervor.

Doppelter CO2-Austoss

Durch die Zerstörung werden laut Studie von heute an bis 2030 bis zu 96,9 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) zusätzlich frei - mehr als das Doppelte des jährlichen CO2-Ausstoßes heute. Grundlage des Szenarios der Forscher sind Berechnungen etwa über die Trends in Landwirtschaft, Viehzüchtung und Abholzung.

Die Regenwälder umfassen zwar nur sieben Prozent der Landfläche der Erde, enthalten aber Unmengen an Kohlenstoff, der beim Verbrennen oder Verrotten als Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre gelangt. Sie ziehen sich wie ein "Kühlgürtel" um den Äquator, von Südamerika über Zentralafrika bis nach Südostasien, und beheimaten fast die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten. Die ganze Welt ist darauf angewiesen.

In Guyana wächst der Druck, die gut 20 Millionen Hektar Wald kommerziell auszuschlachten. Das Holz ist wertvoll, und im Boden wird Gold vermutet. In Brasilien suchen immer mehr Viehfarmer ein Auskommen, in dem sie Regenwaldgebiete abholzen und in Weide verwandeln. In Indonesien werden die Wälder vor allem abgeschlagen, um Platz für Palmölplantagen zu machen. Der Biodieselboom in Europa mit der inzwischen umstrittenen EU-Direktive, den Anteil der Agrartreibstoffe bis 2020 auf zehn Prozent zu steigern, heizt die Zerstörung der Regenwälder an. "Waldschutz ist der wirksamste und preiswerteste Klimaschutz", sagt die deutsche Umweltorganisation Rettet den Regenwald. "Die Festlegung von Biosprit-Anteilen im Diesel führt zu Regenwaldvernichtung pur."

Brasilien und Indonesien gehören zu größten Treibhausgaserzeugern

"Wir schätzen, dass jedes Jahr 14 Millionen Hektar Regenwald abgeholzt werden", sagt Celia Harvey von der Umweltorganisation "Conservation International" auf Bali. Die dadurch entstehenden Emissionen machen etwa 20 Prozent der gesamten weltweiten Treibhausgase aus - so viel wie die USA als weltgrößter Verschmutzer produzieren, und mehr als der gesamte Auto- und Flugverkehr zusammen. Wenn in die Klimabilanz eingerechnet wird, wie viel CO2 durch das Abholzen in die Atmosphäre gelangt, gehören Brasilien und Indonesien zu den vier größten Treibhausgaserzeugern der Welt.

Die Zerstörung kann laut Harvey nur mit Kompensationszahlungen gestoppt werden, "die erstens die Kosten für die  Bestandsaufnahme der Flächen abdecken, zweitens den Einnahmeausfall aus der dann verhinderten Abholzung und Plantagenpflanzung und drittens das Forstmanagement mit Zäunen und Wachen, die illegale Holzfäller abhalten". Den Preis dafür festzulegen ist hochkompliziert.

Zudem fürchten zum Beispiel die Brasilianer, die am Amazonas einen Teil des größten zusammenhängenden Regenwaldgebietes der Erde haben, dass ihnen plötzlich jemand vorschreiben will, was mit dem Wald zu geschehen hat. Im Kongo-Becken in Afrika fehlt es nach Bürgerkriegen und Machtvakuum an verlässlichen Partnern, die den Walschutz auch garantieren können. In dem riesigen Inselreich Indonesien kümmert sich manche Provinzbehörde wenig um Abholzverbote, die die Zentralregierung ausspricht, wenn eine Firma eine Lizenz zum Abholzen oder Plantagenbau will und der Schmiergeldpreis stimmt.

"Es ist eine Menge Aufklärung nötig, und es muss klar sein, dass mit dem Geld Verpflichtungen verbunden sind", sagt Harvey.         

Christiane Oelrich[dpa]

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