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© - Foto: AFP

Neuer Weltbank-Präsident Zoellick: Diplomat vom Dienst

Nach dem Skandal um ihren Ex-Chef Paul Wolfowitz hat die Weltbank einen neuen Präsidenten: Robert Zoellick eilt der Ruf voraus, offen zu sein, moderat und kein Ideologe.

Zwei Rätsel bleiben: seine Vorliebe für einen Vierzack, der an das Symbol des Meeresgottes Neptun erinnert. Und die Frage nach seiner Religion. Als Deutschland am Montag den Feierabend genoss, wählten die 24 Direktoren der Weltbank in Washington Robert Zoellick zum neuen Präsidenten – im Konsens, ohne offizielle Gegenstimme. So hatte es einer ihrer Veteranen vertraulich vorhergesagt. Wieder saßen sie im 13. Stock des grauen Betonpalasts drei Blocks westlich des Weißen Hauses zusammen, diesmal im offiziellen Boardroom „13-100“.

Am vergangenen Mittwoch, als sich „Bob“, wie Zoellick genannt wird, vorstellte, hatten sie im „inoffiziellen“ Besprechungsraum „13-121“ getagt. Nach dem Streit um Vorgänger Paul Wolfowitz, der im Mai nach nur zwei Jahren Amtszeit über die Gehaltsaffäre um seine Freundin stürzte, war es dem Gremium wichtig, die Form zu wahren. Formal war Zoellick bis zur Abstimmung nur ein Kandidat, ohne Garantie, gewählt zu werden. Es gab zwar nur den einen Bewerber, gemäß der Regel: Die USA nominieren den Weltbankpräsidenten, die Europäer den Chef beim Internationalen Währungsfonds, kurz IWF. Aber die Weltbankdirektoren haben ihren Stolz. Sie können auch Nein stimmen. Und selbst nach einem Ja ist der Herr Präsident ihr Angestellter, nicht der Boss. Sie geben die Politik vor, er führt aus. Es sollte nicht so aussehen, als segneten sie nur noch das Unvermeidliche ab, nachdem George W. Bush Ende Mai Zoellick vorgeschlagen hatte.

Selbst kleine Zeichen sind ihnen wichtig. Als Zoellick in den Tagen darauf um Einzeltreffen zum Kennenlernen bat und höflich anbot, die Direktoren im Weltbankgebäude aufzusuchen, zogen einige einen „neutralen Ort“ in der Innenstadt vor, darunter auch Eckhard Deutscher. Der Mann aus der Bundesrepublik ist der „Dean“, der dienstälteste Direktor. Er leitet die Sitzungen, er handelt Zoellicks Vertrag aus. Das Gehalt, rund 400 000 Dollar, und die Laufzeit, fünf Jahre, stehen fest. Aber man muss eventuelle Interessenkonflikte regeln, und er muss sein Vermögen offenlegen. Am Freitag soll unterschrieben werden, ab 1. Juli ist Zoellick offiziell Weltbankpräsident.

Wen auch immer man fragt in der Weltbank, man hört nur freundliche Worte über den Neuen. Eine erstaunliche Wende nach dem offenen Konflikt um Wolfowitz, in dem sich der ganze Zorn über die Bush-Regierung, ihren Irakkrieg, ihr Desinteresse an internationalen Institutionen entladen hatte. Auch Zoellick ist ein „Bushie“, hatte Saddam Husseins Sturz gewollt, ist ein Konservativer. „Das Direktorium steht ihm positiv gegenüber“, versichert Deutscher gleichwohl, wenige Tage vor der Wahl. Die vielen Fenster im lichtdurchfluteten Eckbüro im elften Stock öffnen den Blick über die Dächer von Washington. Deutschers Chefin in Berlin, Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek- Zeul, war eine treibende Kraft bei Wolfowitz’ Rausschmiss. Noch vor seinem Rücktritt erklärte sie, er sei „nicht willkommen“ in Berlin, ein einmaliger Vorgang in der Diplomatie.

Bob Zoellick eilt der Ruf voraus, offen zu sein, moderat, kein Ideologe. Die Chinesen schätzen ihn aus der Zeit als Bushs Handelsbeauftragter, die Deutschen danken ihm seine Rolle bei der Einheit, seine Hilfe bei den Zwei-plus-Vier-Gesprächen. Generell können die Europäer gut mit dem erfahrenen Diplomaten, der bei aller Verhandlungshärte auch den Ausgleich sucht. Die letzten zwei Wochen war er auf „Goodwill-Tour“ rund um die Erde unterwegs, in Brasilien, Mexiko, Afrika, Europa; auch der „roten Heidi“ in Berlin hat er seine Aufwartung gemacht. „Zuhören und lernen“ war die Devise des 53-Jährigen. Überall wurde er bereits als neuer Präsident empfangen.

Die Sorge um die Institution hat diese Versöhnlichkeit erzwungen. Die Weltbank vergibt 23 Milliarden Dollar Entwicklungshilfe pro Jahr: für Brunnen, Landwirtschaft, Familienplanung, Verkehrsprojekte, Aidsbekämpfung. Eigentlich ist das nicht viel. Die EU-Staaten geben zusammen über 50 Milliarden Euro. Aber die Weltbank hat Jahrzehnte Erfahrung und das gesammelte Know-how von 13 000 Experten. Sie braucht Ruhe und Zielstrebigkeit an der Spitze, um die Konflikte anzugehen. Einige der Länder, die ihre Hilfe dringend brauchen, sind zugleich die korruptesten. Der Einfluss der Industrienationen, der selbstbewussten Schwellenländer und der Dritten Welt muss durch eine Reform der Stimmrechte neu tariert werden.

„Wolfowitz ist Theoretiker, Zoellick Pragmatiker“, heißt es im Direktorium. Wolfowitz habe „mehr Managementprobleme verursacht als gelöst“. Zoellick soll besser führen, ist die Erwartung.

Und die Glaubensfrage? Da reagiert man reserviert. Bei aller Neugier auf den Neuen will niemand auf die unzähligen Internetseiten gestoßen sein, die Zoellick als „dritten amerikanischen Juden an der Weltbankspitze“ verunglimpfen. Ein Leser hatte den Tagesspiegel auf die unappetitlichen Angriffe aufmerksam gemacht. Zoellick lässt über einen gemeinsamen Bekannten ausrichten, er sei kein Jude. Welcher Religion er ist, ob er überhaupt glaubt, sagt er nicht. In den USA gilt es als ungehörig, die Frage zu stellen. Vermutlich ist er Protestant, vielleicht aber kein Kirchgänger. Seine Familie stammt aus der Gegend um Schwerin, aufgewachsen ist er in Illinois, in einer von deutschen Einwanderern und Protestanten geprägten Gegend.

Das Rätsel werden die Direktoren vielleicht lösen, wenn man sich in den nächsten hundert Tagen näherkommt. Dann werden sie sich auch trauen, die andere Frage zu stellen: Was es mit dem Vierzack auf den Manschettenknöpfen und der Krawattennadel auf sich hat, die Zoellick so gerne trägt.

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