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Öcalan

© dpa

PKK-Chef: Türkei lockert Haftbedingungen für Öcalan

Seit Februar 1999 sitzt PKK-Chef Öcalan in der Türkei in Einzelhaft. Das soll sich nun ändern: Mithäftlinge und ein Fernseher soll es für den Staatsfeind geben. Die Wut türkischer Nationalisten auf die Regierung in Ankara wächst.

Hat er seinen markanten Schnurrbart nun abrasiert oder nicht? Nur wenige Menschen wissen, wie der der seit fast elf Jahren inhaftierte Chef der PKK-Kurdenrebellen heute aussieht – und ob die Berichte stimmen, wonach sich Abdullah Öcalan von seinem Oberlippenbart getrennt hat. Öcalan ist der einzige Gefangene auf Imrali, er hat fast keine Kontakte zur Außenwelt. Aber das wird sich offenbar sehr bald ändern. Noch in dieser Woche sollen acht weitere Häftlinge nach Imrali verlegt werden.

Seit seiner Festnahme in Kenia im Februar 1999 sitzt Öcalan auf Imrali in Einzelhaft. Nun sollen in den kommenden Tagen zusätzliche PKK-Häftlinge nach Imrali gebracht werden. Auch soll Öcalan erstmals in der Haft Fernsehen schauen dürfen. Die Hafterleichterungen sind Teil von Bemühungen der türkischen Regierung um eine friedliche Beilegung des Kurdenkonflikts. Doch die Wut türkischer Nationalisten auf die Regierung und ihre Zugeständnisse wächst.

"Hobby-Raum" für gemeinsames Werkeln

Für fünf Millionen Dollar hat der türkische Staat auf Imrali ein neues, modernes Gefängnisgebäude errichten lassen, wie türkische Medien berichten. Der Eingangsbereich wurde mit einer Büste des Staatsgründers Atatürk und patriotischen Sprüchen geschmückt. Öcalan und seine neuen Mithäftlinge werden in neuen, sieben Quadratmeter großen Einzelzellen untergebracht, während des Hofgangs darf Öcalan mit jeweils drei seiner Mitinsassen sprechen.

Auch ein „Hobby-Raum“ für gemeinsames Werkeln und Reden steht den Häftlingen zur Verfügung. In seiner Zelle wird Öcalan erstmals einen Fernseher erhalten, auch wenn der laut Presseberichten so umgebaut worden ist, dass er nur den als tröge geltenden Staatssender TRT empfangen kann.

Genehmigung für Treffen mit anderen Häftlingen

Für Termine mit ihren Anwälten werden Öcalan und seine Mitgefangenen in einen neuen Besuchsraum gebracht. Öcalans 14-tägige Treffen mit seinen engsten Verwandten finden künftig in einem durch eine Glasscheibe abgeteilten Besuchsraum statt. Auch für spirituelle Bedürfnisse ist gesorgt: Die Behörden ließen auf Imrali eine kleine Moschee wiedererrichten, die in den vergangenen Jahren abgerissen worden war. Die Hafterleichterungen sind wohl zum Teil eine Belohnung für Öcalans Mithilfe bei den jüngsten Bewegungen im Kurdenkonflikt. So ging die von Ankara als hoffnungsvolles Zeichen begrüßte kürzliche Rückkehr von PKK-Anhängern aus dem Irak in die Türkei auf einen von Imrali aus verkündeten Appell Öcalans zurück.

Obwohl Öcalans neue Haftbedingungen wesentlich besser sind als die bisherigen, wird der türkische Staat auch künftig ein aufmerksames Auge auf ihn werfen. Die Zellen im neuen Gefängnis werden wie der Hof videoüberwacht. Für gemeinsame Treffen mit den anderen Häftlingen muss der PKK-Chef eine Genehmigung der Gefängnisleitung einholen.

Öcalan genießt bei Kurden hohes Ansehen

Erstmals hatte die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan im vergangenen Jahr eine Bereitschaft zur Lockerung des Regimes auf Imrali signalisiert. Dies geschah nicht zuletzt auf Wunsch der Experten vom Anti-Folter-Komitee des Europarats, die seit 1999 mehrmals auf Imrali waren. Auch Kurdenvertreter fordern seit langem bessere Haftbedingungen. Öcalans selbst klagt in Gesprächen mit seinen Anwälten immer wieder über gesundheitliche Beschwerden und Repressalien der Gefängnisleitung.

Öcalans Ansehen bei vielen Kurden ist auch nach vielen Jahren hinter Gittern noch so groß, dass Klagen des PKK-Chefs über die Haftbedingungen drastische Folgen haben können: Im vergangenen Jahr gingen die Anhänger Öcalans aus Protest auf die Straße, nachdem es in Medienberichten geheißen hatte, Wachleute auf Imrali hätten dem PKK-Chef gegen seinen Willen einen Haarschnitt verpasst. Andere Gerüchte besagten, Öcalan werde auf Imrali systematisch und langsam vergiftet oder vom Wachpersonal verprügelt.

Nationalisten sehen Hochverrat

Für viele Türken wäre eine solche Behandlung für den PKK-Chef kein Problem. Sie sehen in Öcalan den Mann, der für den Tod von 40.000 Menschen seit dem Beginn des PKK-Aufstandes 1984 verantwortlich ist. Nationalisten sehen in den derzeitigen Bemühungen der Erdogan-Regierung um eine Beendigung des Konflikts auf politischem Wege nichts anderes als Hochverrat.

Die PKK müsse nicht mehr bomben und töten, um ihre Forderungen durchzusetzen, sagte Nationalistenchef Devlet Bahceli kürzlich. Erdogan selbst sei inzwischen der Fürsprecher separatistischer Umtriebe. Bahceli und andere Kritiker der Regierung glauben, dass die Regierung in Ankara eine Marionette der USA ist, die den Nahen Osten nach ihren Vorstellungen umbauen und die Türkei teilen wollten. Am Wochenende trifft Erdogan in Washington den amerikanischen Präsidenten Barack Obama – den „Hauptakteur“ in dieser gegen die Türkei gerichteten Verschwörung, wie Bahceli sagt.

Bahceli und seine Nationalistenpartei MHP haben nur ein Problem. Auch die MHP selbst hat bei Öcalan realpolitische Vernunft walten lassen, als sie in der Regierungsverantwortung stand: Als Vizepremier unterschrieb Bahceli 1999 den Verzicht auf eine Todesstrafe für Öcalan, ein Umstand, den die MHP heute nicht gerne erwähnt.

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