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Tschaika

© AFP

Politkowskaja-Mord: Schon wieder Beresowski?

Für die russische Justiz sind die Schuldigen im Mordfall Politkowskaja gefunden - und alle Spuren weisen wieder einmal zum Kremlkritiker Beresowski, der in London ein Komplott nach dem anderen gegen Moskau schmieden soll.

Die plötzliche Aufklärung im Mordfall Anna Politkowskaja kam den Hörern des russischen Radiosenders "Echo Moskwy" merkwürdig vor. In einer Blitzumfrage bezweifelten 83,5 Prozent der Anrufer die Version der Justiz, wonach die Hintermänner der Tat im Westen lebende "Staatsfeinde" seien. Generalstaatsanwalt Juri Tschaika zielte unmissverständlich darauf ab, dass hinter dem Mord an der unbequemen Journalistin letztlich der im Londoner Exil lebende Oligarch Boris Beresowski stehe. Russlands Staatsfeind Nummer eins war vom Kreml auch schon für den Giftmord am Ex-Geheimdienstler Alexander Litwinenko in London verantwortlich gemacht worden.

Immer wieder hatten Regierungskritiker in den vergangenen Monaten der russischen Staatsmacht vorgeworfen, den Auftragsmord an Politkowskaja vor deren Moskauer Wohnung nicht ernsthaft aufzuklären. Nach langem Schweigen präsentierte Tschaika nun Killer, Organisatoren, Drahtzieher und Helfershelfer gleich im Dutzend. Nach den Worten Tschaikas soll ein tschetschenischer Bandenboss mit Informationen aus dem russischen Geheimdienstapparat jene Bluttat minutiös durchgeführt haben.

Kadyrow an Mord beteiligt?

Von Anfang an hatten Politkowskajas Kollegen und Freunde den Verdacht geäußert, dass ihr die schonungslos kritischen Artikel über Verbrechen der tschetschenischen Machthaber zum Verhängnis geworden seien. Immer wieder war gemutmaßt worden, dass der Statthalter des Kremls in Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, oder einer seiner Gefolgsleute mit dem Mord in Verbindung stehe. Politkowskajas Chefredakteur Dmitri Muratow bezeichnete die Ermittlungsergebnisse als "absolut überzeugend und professionell".

Der Verweis der Generalstaatsanwaltschaft auf Beresowski als Nutznießer der Bluttat kam nach den Vorkommnissen der vergangenen Monate wenig überraschend. Nach beinahe jedem spektakulärem Ereignis, das Russlands Ansehen in der Welt beschädigte, machten russische Ermittler eine Spur zu Beresowski ausfindig.

Ein Motiv für den Mord an Politkowskaja hätten nur "jene Leute und Strukturen, die die Lage im Land destabilisieren wollen" und die zurück zur "Herrschaft des Geldes und der Oligarchen" wollten, behauptete Tschaika in Moskau. Mit solchen Formulierungen war bislang immer Beresowski gemeint. Ebenfalls am Montag hatte sich die kremltreue Boulevardzeitung "Komsomolskaja Prawda" empört, dass der vom Kreml geschasste Oligarch einmal mehr den Sturz Putins mit allen Mitteln gefordert habe.

Neuer Ärger für London

In der russischen Schaltzentrale der Macht zwischen Politik und Geheimdienst soll sofort nach dem Mord an Politkowskaja die Verbindung zu Beresowski kolportiert worden sein. Putin persönlich sei einen Tag nach dem Attentat vom 7. Oktober 2006 von seinen früheren Geheimdienstkollegen darüber informiert worden. Das hatte die russische Zeitschrift "The New Times - Nowoje Wremja" zu Jahresbeginn unter Berufung auf eigene Geheimdienstkontakte berichtet.

Mit der Wendung im Fall Politkowskaja steht den Briten neuer Ärger ins Haus. Dies gilt für den zu erwartenden Fall, dass die Regierung in London auch weiterhin die Auslieferung Beresowskis an Russland verweigert. Nach der Logik des Kremls würden die Briten damit verhindern, dass der Mord an der Journalistin Politkowskaja gesühnt werden kann.

Stefan Voß[dpa]

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