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Koalitionsgerangel: Störfeuer aus Kreuth reicht bis nach Ankara

Außenminister Guido Westerwelle ermuntert die Türkei zu EU-Fortschritten - und wehrt sich gegen die CSU.

Der Schatten von Kreuth reicht bis nach Ankara. Bei seinem Antrittsbesuch in der türkischen Hauptstadt konnte es Guido Westerwelle am Donnerstag nicht ruhig angehen lassen und sich darauf beschränken, erst einmal ein Bild von den Hauptakteuren in einem Land zu gewinnen, das ihn in seinem neuen Amt voraussichtlich noch viel beschäftigen wird. Der Vizekanzler und FDP-Chef musste gleich ran und frisch aufgekommene Zweifel an deutscher Glaubwürdigkeit zerstreuen. Dabei kam er nicht umhin, vor seinen türkischen Zuhörern den Berliner Koalitionsstreit auszubreiten: Keine Sorge, die CSU bestimmt nicht die deutsche Türkeipolitik, war Westerwelles Botschaft.

„Dafür stehe ich ein“, lautete ein Schlüsselsatz des neuen Ministers. Damit signalisierte Westerwelle Standfestigkeit sowohl in den großen Linien deutscher Außenpolitik als auch in der innerkoalitionären Auseinandersetzung mit den Christsozialen. Die haben – gerade rechtzeitig vor Westerwelles Besuch in Anatolien – wieder einmal ihre Forderung nach Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei erneuert.

Das Störfeuer aus Kreuth zwang den neuen Außenminister dazu, in Ankara deutliche Worte zu sprechen. Natürlich erwähnte der Minister den bayerischen Koalitionspartner und dessen Europaskepsis, die auch bei der Klausurtagung im Wildbad wieder eine Rolle spielt, nicht ausdrücklich. Was er meinte, war trotzdem allen klar: Über die Forderung der CSU nach einem Ende des türkischen EU-Prozesses muss sich niemand in der Türkei aufregen, weil sie ohnehin nicht verwirklicht wird.

Mancherorts sei die Befürchtung geäußert worden, dass die Bundesregierung „die Tür zu einer Mitgliedschaft der Türkei schließen will“, sagte Westerwelle in einer Rede vor türkischen Diplomaten am Donnerstag. „Ich sage es Ihnen ganz klar: Was die EU und die Türkei vereinbart haben, gilt. Es gilt auch für diese Bundesregierung.“

Türkische Reporter wollten es dennoch ganz genau wissen und fragten Westerwelle noch einmal, ob sie diesen Sätzen glauben könnten. Dahinter stand Unsicherheit darüber, ob der jugendlich wirkende Minister das politische Gewicht hat, für eine Regierung zu sprechen, in der zwei von drei Parteien im Grundsatz gegen eine türkische EU-Mitgliedschaft sind. Was er als Außenminister sage, habe Gültigkeit, betonte Westerwelle. „Ich bin hier nicht als Tourist in kurzer Hose unterwegs.“

Den Diplomaten las Westerwelle sogar den Türkeipassus aus dem Berliner Koalitionsvertrag vor – es kommt nicht alle Tage vor, dass ein innenpolitischer Streit so offen auf außenpolitischer Bühne ausgetragen wird. Westerwelle ging noch einen Schritt weiter und rief die Türkei zu weiteren Reformen auf, um dem EU-Beitritt näher zu kommen, also jenem Ziel, von dem die CSU nichts wissen will. Er selbst habe sich als frisch gebackener Minister im vergangenen Monat in Brüssel „mit großem Nachdruck für die Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen eingesetzt“, betonte Westerwelle vor den türkischen Journalisten. Obwohl die Beitrittsgespräche zwischen der EU und Ankara bereits im Jahr 2005 begannen, habe die Türkei bisher erst zwölf der insgesamt 35 Verhandlungskapitel angehen können.

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