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Internationale Beziehungen: Obama sucht Moskaus Hilfe beim Iran

Die USA suchen Verbündete gegen Iran. Sie stellen Russland den Verzicht auf die Raketenabwehr in Aussicht. Moskau lehnt aber "Tauschgeschäfte" ab.

US-Präsident Barack Obama hat seinem russischen Kollegen Dmitri Medwedew in einem vertraulichen Brief angeboten, auf das geplante Raketenabwehrsystem in Polen und Tschechien zu verzichten, wenn Moskau helfe, den Iran an der Entwicklung weit reichender Raketen zu hindern. Das berichtet die „New York Times“ unter Berufung auf eingeweihte Regierungsmitglieder. Obamas Brief sei vor drei Wochen durch William Burns, die Nummer drei im US-Außenministerium, in Moskau übergeben worden. Am kommenden Freitag treffen sich die Außenminister der USA und Russlands, Hillary Clinton und Sergej Lawrow, in Genf. Obama und Medwedew sehen sich beim Finanzgipfel der G 20 im April in London.

Die ersten Reaktionen auf den Bericht in den USA lassen offen, ob Obama sich damit von George W. Bushs Linie abwendet oder sie, im Gegenteil, bekräftigt. Bush hatte das Projekt gegen russische Proteste vorangetrieben, weil die Welt eine Abwehrtechnik benötige, falls der Iran sein Raketen- und Bombenprogramm erfolgreich fortsetze. Obama habe sich bisher „lauwarm“ über die Raketenabwehr geäußert, sagen US-Experten, weil er nicht überzeugt sei, dass die Technik funktioniert. Aber er halte an Bushs Logik fest. Er formuliere den Zusammenhang nur umgekehrt: Wenn die USA, Russland und ihre Partner erreichen, dass der Iran keine weit reichenden Raketen entwickeln könne, die Israel, Europa und US-Stützpunkte in Europa sowie dem Nahen und Mittleren Osten bedrohen, dann brauche man auch kein Abwehrsystem dagegen. Fast wortgleich hatte Burns das in Moskau im Interview mit der russischen Nachrichtenagentur Interfax formuliert. Pentagonchef Bob Gates sagte beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister: „Den Russen sage ich seit einem Jahr, wenn es kein iranisches Raketenprogramm gibt, brauchen wir auch keine Raketenabwehr.“

Ähnlich vieldeutig sind die Interpretationen, ob Obama Moskau mit dem Brief entgegenkomme oder unter Druck setze. Ein hohes, nicht namentlich genanntes Regierungsmitglied sagte der „New York Times“, die Botschaft sei: „Entweder ihr kooperiert oder haltet die Klappe!“ Es reiche nicht, dass Moskau guten Willen bekunde. Die Raketenabwehr sei nur verzichtbar, „wenn die Bedrohung entfällt“. Das Blatt schreibt zugleich, Obamas Brief sei Teil des Bemühens, „den Reset- Knopf“ im Verhältnis zu Russland zu drücken, wie Vizepräsident Joe Biden bei der Münchner Sicherheitskonferenz vor dreieinhalb Wochen formuliert hatte.

Nun ist in jedem Fall Russland am Zug. In einer ersten Reaktion reagierte Medwedew kühl auf den US-Vorstoß. Politische „Tauschgeschäfte“ werde es nicht geben, sagte er nach Angaben von Interfax. Moskau werde sich nur mit konkreten Vorschlägen zur Raketenabwehr befassen, die den amerikanischen, europäischen und russischen Sicherheitsinteressen genügten. Beim iranischen Atomprogramm gebe es auch so eine „absolute Übereinstimmung“ mit den amerikanischen Partnern. „Wenn die neue US-Regierung hoffentlich gesunden Menschenverstand walten lässt und irgendeine neue Konstruktion vorschlägt, sind wir zu Verhandlungen bereit“, sagte Medwedew.

Russland hatte von Anfang an deutlich gemacht, die Stationierung eines Raketenschirms in Polen und Tschechien keineswegs hinnehmen zu wollen. Im Streit mit den USA zog Moskau daher alle Register: Der damalige russische Präsident Wladimir Putin warnte vor einem neuen Wettrüsten und drohte sogar unverhohlen mit „Vergeltung“. Russland könne seine Raketen auf Ziele in Europa ausrichten. Und Putins Nachfolger Medwedew überraschte am Tag nach Obamas Wahl mit der Drohung, Kurzstreckenraketen in Kaliningrad zu stationieren – nahm die Ankündigung aber später wieder zurück. In Zugzwang brachte Putin die USA allerdings mit einem Kompromissangebot: Moskau und Washington könnten eine bestehende Radaranlage in Aserbaidschan gemeinsam nutzen – ein Angebot, das die USA ablehnten. Der Kreml ging dagegen seinerseits nicht auf ein Angebot aus Washington über einen weitgehenden Austausch von Informationen ein.

Polen und Tschechien reagierten verhalten auf die Nachrichten aus Washington. Tschechien will erst den für den 5. April geplanten Besuch Obamas in Prag abwarten. Polen hat sich von den USA bereits zusichern lassen, dass die als Gegenleistung für die Stationierung der Raketenabwehr gegebenen Zusagen eingehalten werden. Dazu gehört die Verlegung von „Patriot“-Luftabwehrraketen samt einer Bedienmannschaft von 100 US-Soldaten von Deutschland nach Polen. Washington habe versichert, dass an diesen Plänen festgehalten werde, sagte Polens Außenminister Radek Sikorski nach einem Treffen mit seiner Kollegin Hillary Clinton in der vergangenen Woche.

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