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Der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta und seine Außenministerin Amina Mohamed arbeiten seit der Amtsübernahme im März daran, dass der Prozess gegen Kenyatta ausgesetzt wird. Die gesamte diplomatische Energie des Landes geht in die Erreichung dieses Ziels. Die Chancen, dass Kenyatta sich nicht vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten muss, sind trotzdem nicht allzu hoch.

© Reuters

Internationaler Strafgerichtshof: Gleiches Recht für alle?

Juristen aus Kenia streiten darüber, welche Auswirkungen die Prozesse gegen den Präsidenten Uhuru Kenyatta und den Vizepräsidenten William Ruto in Den Haag auf das Land haben.

Ein Präsident ist in Afrika „die wichtigste Person im Staat und auch so etwas wie ein Häuptling“, sagt Luis Franceschi. Wenn es also um die Würde eines Präsidenten geht, dann reagieren die meisten Afrikaner sehr empfindlich. So erklärte der Dekan der Juristischen Fakultät der Strathmore-Universität in Nairobi bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin, warum die Afrikanische Union (AU) bei ihrem Sondergipfel Ende Oktober gefordert hat, dass amtierende Präsidenten oder Premierminister oder andere Regierungsmitglieder von Strafverfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) ausgenommen werden sollen, bis ihre Amtszeit abgelaufen ist.

Kurz zuvor hatte der kenianische Menschenrechtsanwalt Haron Ndubi die Frage gestellt, warum die AU zur Verteidigung der Würde von Präsidenten sofort zur Stelle ist, aber, „wenn es um die Verteidigung der Würde der Opfer der Gewalt“ nach den umstrittenen Wahlen Ende 2007 geht, „gar nichts unternehmen wollte“. Das war ein Vorwurf, den der äthiopische Botschafter, Fesseha Asghedom Tessema, nicht auf sich sitzen lassen wollte. Weil Äthiopien derzeit den Vorsitz der AU innehat, vertrat er auch deren Position. Tessema ist der Auffassung, dass „die Suche nach Gerechtigkeit den Frieden nicht gefährden“ dürfe. Deshalb sollen nach dem Willen der AU die Prozesse gegen den kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta und gegen seinen Vize-Präsidenten William Ruto ausgesetzt werden. Mit der Frage der früheren Justizministerin und langjährigen SPD-Bundestagsabgeordneten Herta Däubler-Gmelin, ob sich die AU mit dieser Haltung nicht wieder dem alten Prinzip der „Nicht-Einmischung“ annähere, konnte Tessema wenig anfangen. In der AU ist der Vorwurf laut geworden, der IStGH konzentriere sich nur auf Afrika. Tatsächlich sind bisher nur Verfahren gegen Afrikaner eröffnet worden. Doch in vier Fällen hätten die afrikanischen Regierungen selbst die Fälle dem IStGH vorgelegt, betonte Hans-Peter Kaul, Richter am IStGH.

Der Prozess gegen den Präsidenten ist auf Februar verschoben worden

Der Prozess gegen Kenyatta hätte am Dienstag beginnen sollen, wurde aber vergangene Woche zum wiederholten Mal verschoben. Am 5. Februar 2014 soll Kenyatta nun vor dem IStGH in Den Haag erscheinen. Allerdings hat ihm das Gericht bereits zugestanden, dass er an vielen Prozesstagen nicht körperlich anwesend sein muss. Ein Privileg, das seinem Vize William Ruto bisher nur ausnahmsweise gewährt wird. In dieser Woche etwa hat Ruto frei, weil Kenyatta auf Dienstreise in Südafrika ist. Seit Anfang September verbringt Ruto einen großen Teil der Woche vor Gericht. Die ersten Zeugen sind gehört worden. Ob sie ihn be- oder entlasten, hat in der kenianischen Bloggerszene hitzige Debatten ausgelöst. Die meisten Zeitungen und Nachrichtensender stehen in der Strafgerichtsfrage auf Seiten der Regierung. Tatsächlich ist es schwierig, die Qualität der Zeugenaussagen zu bewerten, weil inzwischen ein Großteil der Kreuzverhöre findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Schon in der ersten Woche hatten kenianische Medien Namen von Zeugen öffentlich gemacht. Gegen den kenianischen Journalisten Walter Barasa hat die Chefanklägerin des IStGH, Fatou Bensouda, deshalb inzwischen einen Haftbefehl beantragt. Bisher hat die kenianische Polizei Barasa noch nicht verhaftet oder gar an Den Haag ausgeliefert. Die Prozesse gegen Ruto und Kenyatta stehen aber ohnehin unter dem Vorbehalt, dass Zeugen dutzendfach abgesprungen sind, weil sie um ihre Sicherheit fürchten, unter Druck gesetzt worden sind – oder gleich bestochen wurden, um ihre Aussagen zurückzuziehen.

Für die Opfer der Gewalt von 2007/08 ist das besonders bitter, sagt Njonjo Mue, der ebenfalls vor den kenianischen Gerichten um die Menschenrechte kämpft. Der Prozess holt die Erinnerungen an die mehr als 1000 Toten, die 5000 Schwerverletzten und eine halbe Million Vertriebenen wieder an die Oberfläche. Die wenigsten von ihnen haben eine Entschädigung erhalten, um irgendwo anders neu anzufangen. Und in Kenia ist bis heute kein Prozess gegen die Täter von damals eröffnet worden, sagt Mue. Derweil hat China zu erkennen gegeben, eine AU-Resolution im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen unterstützen zu wollen. Darin wird gefordert, den Prozess um ein Jahr zu vertagen, weil er die nationale und regionale Sicherheit gefährde. Oliver Fixson, Chef der Abteilung internationales Recht im Auswärtigen Amt, findet das allerdings wenig überzeugend und gibt der Resolution nur wenig Chancen.

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