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Interner Bericht: Polizeipräsident in Sachsen-Anhalt maßregelt Beamte

Mehr als anderthalb Jahre schwelt in Sachsen-Anhalt die Polizeiaffäre, eine ganze Serie schwerer Fehler von Beamten auf fast allen Ebenen ist inzwischen bekannt geworden. Und es nimmt kein Ende.

Von Frank Jansen

Seit September 2007 befasst sich ein Untersuchungsausschuss des Landtags mit mehreren exemplarischen Fällen – und jetzt werden zwei weitere bekannt, die den Verdacht struktureller Defizite in Teilen der Polizei des Landes noch verstärken. Der Tagesspiegel hat Kenntnis vom Inhalt eines vertraulichen Protokolls, das der Präsident der Direktion Sachsen-Anhalt Ost mit Sitz in Dessau nach einer Besprechung mit führenden Beamten schrieben hat. Karl-Heinz Willberg äußert in dem Papier vom 17. September 2008 harsche Kritik. Der erste Fall ist besonders blamabel, weil sich zeigt, dass drei Jahre nach einem Debakel der Polizei in der Stadt Zerbst das nächste Desaster droht.

Ende Juli 2005 hatte auf dem Zerbster Heimatfest ein Rechtsextremist einem Punk ein Bierglas ins Gesicht geschlagen. Das 16-jährige Opfer erblindete auf dem rechten Auge. Die örtliche Polizei machte falsch, was sie falsch machen konnte: Beamte nahmen den von Zeugen festgehaltenen Täter nur zur Blutentnahme im Krankenhaus mit und brachten ihn zum Bahnhof, damit er den letzten Zug nach Hause erreicht. Im Zug schlug der Rechtsextremist einen Zeugen des Angriffs. Als der Tagesspiegel im August 2005 von dem Fall erfuhr, verwies das Revier lapidar an die Staatsanwaltschaft Dessau – doch dort war nichts bekannt. Die aufgeschreckte Staatsanwaltschaft alarmierte die Polizeidirektion in Dessau, deren Staatsschützer den Täter nach wenigen Tagen festnahmen. Im Februar 2006 verurteilte das Landgericht Dessau den Mann zu acht Jahren Haft. Die Zerbster Polizei versprach, aus den Fehlern zu lernen.

Polizeipräsident Willberg schildert den Fall in seinem Protokoll – und dann, was sich das Revier in Zerbst jetzt im Sommer leistete. Angesichts der Geschehnisse von 2005 hätte er „während der Vorbereitung des diesjährigen Heimatfestes eine Analyse“ erwartet – „die Realität war jedoch eine andere“. Der Einsatz von ortskundigen Kräften des Reviers sollte sich auf wenige Beamte beschränken. Und: „Der in der Behörde vorgelegte Durchführungsplan hat diese Bezeichnung nicht verdient, er war mehr als mangelhaft und musste zur Überarbeitung an die einsatzführende Dienststelle zurückgegeben werden.“ Es folgen unangenehme Details.

Nächster Fall: Im August 2008 schlug und trat ein Mann in Dessau einer Frau ins Gesicht. Ein Zeuge nannte der Polizei den Tatverdächtigen. Die Beamten „nahmen die Anzeige auf und sahen sich nicht in der Pflicht, weitere Folgemaßnahmen zu veranlassen“, moniert Willberg. Dieses Verhalten sei „nicht hinnehmbar“. Ausdrücklich verweist der Polizeipräsident auf die „Schutzbedürfnisse“ des Opfers – und erinnert mahnend an die zwei rechtsextremen Tötungsdelikte aus diesem Sommer in Magdeburg und Bernburg.

Willberg, seit September 2007 im Amt, sagt dem Tagesspiegel, in Zerbst und Dessau seien „polizeiliche Ziele nicht mit der nötigen Gründlichkeit und Sensibilität“ verfolgt worden. „Ich habe eine andere Erwartung an die Qualität der Führungsarbeit.“ Das Protokoll habe einen scharfen Ton, „damit ich verstanden werde“. Nach den Versäumnissen seien erste Konsequenzen gezogen worden. Allerdings wurde kein Beamter versetzt. Willberg betont, er habe in Zerbst noch rechtzeitig vor dem Heimatfest bei der Einsatzplanung intervenieren können, sonst „hätte es wie 2005 Probleme geben können, Täter der Sachbearbeitung durch Kripo und Staatsanwaltschaft zuzuführen“. Auch diesmal gab es dort mehrere Gewalttaten.

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