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Interner Druck: Knobloch gibt auf

Es klang wie eine Kampfansage: „Gerade als Zeugin der Naziherrschaft macht mich meine Aufgabe als Präsidentin des Zentralrats glücklich”, hatte Charlotte Knobloch noch am Sonnabend in einem Zeitungsbeitrag erklärt. Am Sonntag kündigte sie im Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland dann doch an, nicht mehr für eine zweite Amtszeit zu kandidieren.

Berlin - Es klang wie eine Kampfansage: „Gerade als Zeugin der Naziherrschaft macht mich meine Aufgabe als Präsidentin des Zentralrats glücklich”, hatte Charlotte Knobloch noch am Sonnabend in einem Zeitungsbeitrag erklärt. Am Sonntag kündigte sie im Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland dann doch an, nicht mehr für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Ihre Amtszeit bis November wolle sie aber sehr wohl ausfüllen. Damit ist klar: Im November wird die Ära der Holocaust-Überlebenden an der Spitze des Zentralrats enden. Keiner nach Knobloch wird mehr mit der Authentizität seiner Lebensgeschichte an die Vergangenheit erinnern können. Knobloch wolle „bewusst einen Generationswechsel herbeiführen, den sie aktiv unterstützen und begleiten wird“, hieß es in der Erklärung des Zentralrats.

Die 77-jährige Knobloch habe sowieso nicht mehr antreten wollen; das sei schon seit längerem klar gewesen, sagen Insider. Dass sie nun gezwungen war, auf der turnusmäßigen Sitzung des Direktoriums, des Gremiums der Landesverbände und großen Gemeinden, ihren Verzicht zu erklären, sei aber ein „beispiellos unwürdiger“ und „respektloser” Vorgang. Auch die meisten im Direktorium vertretenen Personen seien überrascht gewesen. Es war dazu gekommen, weil vergangene Woche aus dem Zentralrat heraus gestreut wurde, dass Knobloch nicht mehr antreten wolle. Knobloch traf die Nachricht unvorbereitet. Ihre beiden Stellvertreter, Salomon Korn und Dieter Graumann aus Frankfurt am Main, schwiegen dazu. Auch der Generalsekretär des Zentralrats Stephan Kramer schwieg. Damit wurde öffentlich, dass Knobloch das Vertrauen ihrer wichtigsten Mistreiter verloren hatte – auch wenn ihr das Präsidium am Sonntag „das volle und uneingeschränkte Vertrauen“ aussprach. Knobloch und ihre Stellvertreter wurden 2006 in ihre Ämter gewählt.

Walter Homolka, der Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam, findet, „dass das, was sich vergangene Woche abgespielt hat, eine peinliche Angelegenheit für den Zentralrat war“. Es müsse nun aufgearbeitet werden, „wer ein Interesse daran hat, dieses Gremium, das einen hohen moralischen Anspruch hat, so zu beschädigen“.

Als Nachfolger von Knobloch wird ihr jetziger Vize Dieter Graumann gehandelt. Mit ihm werde „alles beim Alten“ bleiben, glaubt Homolka. „Es ist lächerlich, von einem Wandel zu reden.“ Denn als Finanzchef des Zentralrats habe er auch bisher schon die Richtung vorgegeben. Andere Beobachter sind besorgt, dass der Zentralrat nun bis zur Neuwahl im November eine „lahme Ente“ werde. „Ich hoffe, dass alle Beteiligten aus den Querelen der letzten Tage gelernt haben und dass es in den nächsten Monaten nicht zu einer politischen Lähmung des Gremiums kommt“, sagt etwa der Publizist Michel Friedman. Der Zentralrat der Juden in Deutschland ist das höchste politische Gremium der jüdischen Gemeinden in Deutschland mit ihren rund 110 000 Mitgliedern. Claudia Keller

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