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Update

Internet: Innenminister Friedrich will Blogger-Anonymität aufheben

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat anlässlich der Anschläge in Norwegen ein Ende der Anonymität im Internet gefordert. Radikale Blogger sollten ihre Identität preisgeben müssen.

Von Anna Sauerbrey

Berlin - Manche sind lustig, andere niedlich, wieder andere einfach unverständlich: Pseudonyme im Internet, Namen, die sich Internetnutzer für ihre Netzpersönlichkeit auswählen, unter denen sie bloggen, auf Ebay Dinge verkaufen oder sich in sozialen Netzwerken bewegen. Einer dieser „Nicknames“ hat kürzlich traurige Berühmtheit erlangt. „Fjordman“ nannte sich der rechtsextreme Blogger, der dem norwegischen Attentäter Anders Behring Breivik als Vorbild diente. Gegen Ende der Woche outete sich der Scharfmacher mit seinem norwegischen Allerweltsnamen – Peder Jensen – und tauchte ab.

Geht es nach Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), hätte sich der Blogger gar nicht hinter seinem Spitznamen verstecken dürfen. In einem Interview mit dem Spiegel, das am Montag erscheint, stellt Friedrich das Recht auf Anonymität im Netz infrage. „Warum müssen Fjordman und andere Blogger ihre wahre Identität nicht offenbaren?“, fragt der Minister. „Normalerweise stehen Menschen mit ihren Namen für etwas ein. Warum nicht auch ganz selbstverständlich im Internet?“ Friedrich geht davon aus, dass die Anonymität im Netz dazu beiträgt, dass sich Menschen radikalisieren. „Wir haben immer mehr Menschen, die sich von ihrer sozialen Umgebung isolieren und allein in eine Welt im Netz eintauchen. Dort verändern sie sich, meist ohne dass es jemand bemerkt.“

Der Innenminister trägt damit zu einer Debatte bei, die seit den Attentaten von Norwegen schwelt und in der vergangenen Woche von Google angeheizt wurde. Google hat vor einigen Wochen ein neues soziales Netzwerk gestartet, Google plus. Es ähnelt dem Netzwerk Facebook. Allerdings verpflichtet Google seine Nutzer, sich mit ihren echten Namen anzumelden. Wer mit einem Pseudonym erwischt wird, wird vom Netzwerk ausgeschlossen. Dies soll bereits in mehr als hundert Fällen geschehen sein.

Selbst Vertreter für ein möglichst freies, unreguliertes Netz haben im Zuge dieser Debatte zugestanden, dass es gute Gründe gegen die Anonymität im Netz gibt. Klarnamen „verbessern das Verhalten der Nutzer, erschweren Mobbing und verhindern, dass sich Sicherheitskräfte undercover einschleichen, um andere zu überwachen“, schrieb Jillian C. York in der „Zeit“. Sie ist Direktorin der „Electronic Frontier Foundation“, einer internationalen Organisation, die sich für Bürgerrechte im Internet einsetzt. „Vor allem übernehmen Menschen mehr Verantwortung für das, was sie schreiben, wenn sie unter ihrem echten Namen schreiben.“

Kritiker verweisen hingegen auf das Recht auf Anonymität. „Das Netz ist Teil des öffentlichen Raums“, sagte Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen, dem Tagesspiegel. „Wer fordert, die Anonymität im Netz aufzuheben, fordert die Aufhebung der Anonymität überhaupt.“ Sebastian Nerz, Vorsitzender der Piratenpartei, verweist auf die Meinungsfreiheit: „Die Möglichkeit, sich anonym zu äußern ist Voraussetzung dafür, dass es eine echte Meinungsfreiheit gibt. Herr Friedrich greift hier einen der Grundpfeiler unserer Demokratie an“, sagte er.

Auch aus Datenschutzgründen sind Spitznamen im Netz wichtig. „Grundsätzlich sollte man es vermeiden, seinen Realnamen überhaupt zu verwenden, soweit dies möglich ist: Ein paar virtuelle Identitäten mehr als im realen Leben sind durchaus erstrebenswert“, raten Constanze Kurz und Frank Rieger vom Chaos Computer Club. Das erschwere Unternehmen das ungefragte Sammeln und Kombinieren persönlicher Daten. Konstantin von Notz bezweifelt außerdem, dass die Aufhebung der Anonymität gegen Radikalisierungen helfe. „Selbst wenn der norwegische Attentäter Breivik sich mit seinem digitalen Personalausweis im Netz hätte anmelden müssen, hätte ihn das kaum von seiner Tat abgehalten.“

Technisch umsetzbar wäre die Forderung des Innenministers nach Einschätzung der Piratenpartei. Seit Ende 2010 gibt es den digitalen Personalausweis, den jeder erhält, dessen alter Personalausweis ausläuft. Auf dem Chip sind die Personendaten und ein Passfoto gespeichert, mithilfe eines Lesegerätes und einer Software kann der E-Perso im Netz verwendet werden. Auf Wunsch werden eine digitale Unterschrift und digitale Fingerabdrücke gespeichert. Theoretisch wäre es denkbar, Internetanbieter gesetzlich zu verpflichten, die Identität ihrer Kunden zu kontrollieren – deutsche zumindest. So konkret wird das Ende der Anonymität im Netz allerdings noch nicht diskutiert.

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