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Interview: CSU-General Dobrindt: "Die Grünen sind noch die alten Brandstifter"

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt im Interview mit dem Tagesspiegel über politische Lager, Bürgerproteste und die modernste aller Parteien.

Ertappen Sie sich eigentlich in letzter Zeit manchmal dabei, dass Sie sich auf die Zunge beißen müssen?

Nein. Bisher hab' ich es immer geschafft, der Klartext-General zu bleiben.

Aber wenn wir mal an die Verbalfestspiele der Koalition vor der Sommerpause zurückdenken – sind Sie bloß stiller oder ist die Partnerschaft wirklich besser geworden?

Ich glaube, dass wir jetzt wirklich gut zusammenarbeiten. Erkennbar – und das ist unsere Initiative – muss die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner stattfinden. Und der ist im linken Lager.

Sie wärmen alten Lager-Kaffee wieder auf?

Es ist doch für alle erkennbar, dass wir zwei Lager in der politischen Landschaft Deutschlands haben: das eine ist das Lager derjenigen, die Verantwortung übernehmen für die Zukunft, und das andere ist die Protestszene, die sich von den Grünen bis zur Linkspartei auch im Parlament widerspiegelt.

Union und FDP sind doch bloß neidisch auf den Erfolg der Grünen!

Die Grünen versuchen im Moment, unsere Demokratie zu schottern. Genau so wie die gewaltbereiten Castor-Demonstranten Steine unter den Gleisen herausholen, um das Gleisbett zu unterhöhlen, genau so versuchen die Grünen, die Demokratie zu unterhöhlen. Das zeigt: Es hat sich da in Wahrheit nicht viel verändert seit der Zeit vor 30 Jahren. Die Turnschuhe und Pullover sind getauscht worden gegen Anzug und Krawatte. Aber drin stecken immer noch die gleichen Steinewerfer und Brandstifter wie damals.

Sind die Leute, die die Grünen in den Umfragen zur kleinen Volkspartei machen, zu blöd, um das zu erkennen?

Die Grünen sind das Gegenteil einer Volkspartei. Sie sagen: Wenn ihr nicht macht, was wir wollen, gehen wir halt auf die Straße. Wir werden sie aber demaskieren. Jürgen Trittin hat im Jahr 2001 noch selber Castor-Transporte bestellt und Demonstrationen als rechtswidrig bezeichnet. Heute macht er selbst bei den Castor-Demos mit. Politische Heuchelei hat inzwischen eine Farbe, und die ist grün.

Wieso sollten denn so viele Menschen bloßen Heuchlern auf den Leim gehen?

Wie in jedem Fußballspiel gilt auch hier: Der Gegner ist immer nur so stark, wie man ihn spielen lässt. Ich bin froh, dass die anderen Parteien der Koalition das jetzt auch begriffen haben. Die Grünen organisieren die Protestszene und sind die Hauptgegner bürgerlicher Politik.

Zum Protest gehören – siehe Stuttgart 21 – längst auch Unionsanhänger. Haben nicht die Grünen mit dem Ruf nach mehr Bürgerbeteiligung den Zug der Zeit genau erkannt?

Es ist mir völlig neu, dass die Grünen die Partei der Bürgerbeteiligung wären. Sie sind doch gegen Bürgermehrheiten. Immer dann, wenn eine Mehrheit entschieden hat, organisieren sie Demonstrationen dagegen und wollen den Mehrheitsentscheid blockieren.

Brauchen wir – unabhängig davon – nicht dennoch mehr Bürgerbeteiligung?

Richtig ist, dass die Menschen beteiligt werden wollen, auch und gerade an Großprojekten. Aber irgendwann werden Entscheidungen getroffen. Und wenn sie getroffen sind, ist es eine gemeinsame Aufgabe aller im demokratischen Rechtstaat, dazu zu stehen. Wer im Nachhinein immer versucht, rechtmäßige Entscheidungen umzustoßen, der stellt die Zukunftsfähigkeit dieses Landes in Frage.

Apropos: Folgt dem „Herbst der Entscheidungen“ jetzt der Winter der Vertagungen?

Die Schlagzahl ist hoch und bleibt weiter hoch. Wir haben die Energiepolitik neu geordnet, machen die sozialen Systeme zukunftsfest, wir geben klare Leitlinien für die Fragen der Integration und Zuwanderung. Das muss jetzt in der Umsetzungsphase den Menschen weiter gut erklärt werden. Wir sind überdies mit unseren Maßnahmen für Konjunktur und Wachstum schneller und besser aus der Krise herausgekommen als andere Länder. Solche zukunftssichernden Entscheidungen treffen wir auch weiterhin

Dazu gehört auch eine Steuerreform?

Wenn die Krise bewältigt ist, die Wachstumskräfte wirken, die Steuereinnahmen steigen und wir die Neuverschuldung weiter senken – dann sind Entlastungen sinnvoll. Wir beraten jetzt über Steuervereinfachung. Wir werden auch wieder über Steuerentlastung reden müssen, wenn es an der Zeit ist.

Wären die CSU bereit, den milliardenschweren Mehrwertsteuer-Rabatt für Hotels wieder abzuschaffen, wenn es dadurch mehr Entlastung für alle gäbe?

Die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes in der Hotellerie war Teil des Wachstumskonzepts. Sie hat große Investitionen freigesetzt und die Wettbewerbsfähigkeit des Tourismus gerade in den grenznahen Regionen deutlich gestärkt. Wenn man diese Erkenntnis hat, muss man über Weiteres nicht nachdenken.

Aber was Sie sagen, heißt doch: Das Instrument hat seine Schuldigkeit getan.

Es heißt: Die Investitionen laufen. Die Unternehmen müssen die Chance haben, diese Investitionen zu amortisieren.

Keine Einigkeit gibt es bei der Zuwanderung. Die CSU steht allein auf weiter Flur, sogar die Arbeitgeber sagen: Wir brauchen mehr Fachkräfte.

Zum 1. Mai bekommen Arbeitnehmer aus ganz Europa die Möglichkeit, sich in jedem Land der EU Arbeit zu suchen. Wir kennen die Folgen dieser Freizügigkeit noch überhaupt nicht. Was wir aber brauchen ist Qualifizierung vor Zuwanderung. Wer jetzt die Schleusentore öffnet, verhindert, dass unsere Arbeitslosen leichter in Arbeit kommen. Es wäre daher völlig falsch, an den geltenden Zuwanderungsregeln etwas zu ändern. Unser Aufschwung muss am Arbeitsmarkt in Deutschland ankommen und nicht irgendwo anders in der Welt.

Nach der Gesundheitsreform ist vor der Pflegereform. Wird es dabei ähnlichen Zoff zwischen CSU und FDP geben – mit Wildsäuen und Gurkentruppen?

Man muss ja nicht jeden Tag aus dem Gemüsegarten zitieren. Die Pflegereform ist deshalb bedeutsam, weil sie zunehmend mehr Menschen betrifft. Und langfristig betrachtet ist es sicher richtig, hier über mehr Eigenverantwortung nachzudenken.

Aber es geht wie bei der Gesundheitsreform um höhere Belastung der Versicherten, um Pauschalen und die Frage, wo bei alldem das Soziale bleibt. Warum soll die Debatte friedlicher verlaufen?

Es geht weder um Kopfpauschalen noch um Zumutungen. Es geht darum, dass die Jüngeren mit hoher Sicherheit wissen, dass sie dieses System in Anspruch nehmen müssen und wollen. Daher gibt es in dieser Generation auch die Bereitschaft, schon in jungen Jahren Vorsorge zu treffen.

Noch ein kurzer Blick auf die CSU. Bitte ergänzen Sie: Horst Seehofer ist...

...der Parteivorsitzende der CSU. Und er wird es noch lange bleiben.

Karl-Theodor zu Guttenberg ist...

...herausragend unter den Bundesministern. Mit großem Potenzial.

Keine Sorge um die Bodenständigkeit der Partei angesichts des Guttenberg-Hypes?

Wenn Popularität von Politikern beunruhigend wäre, wäre die Welt verkehrt. Wir haben viele, die öffentlich besonders stark wahrgenommen werden. Deshalb strahlt die CSU auch weit über Bayern hinaus als konservatives Schwergewicht in der Union.

Das konservative Schwergewicht hat ein Herzensthema wie die Wehrpflicht ohne Debatte zu den Akten gelegt, der CDU-Parteitag hat lange debattiert. Wie kommt's?

Die Entscheidung für unseren Parteitag war exzellent vorbereitet. Wir haben uns in der Führungsspitze abgestimmt und wochenlang mit der Basis in Regionalkonferenzen diskutiert.

Die CDU war nicht so toll vorbereitet?

Ich denke, diesen Schluss kann man nicht ziehen.

Dafür hat die CSU in der Breite die Frauenquote diskutiert. Was ist an der Quote konservativ?

Die CSU ist die konservativste aller Parteien in Deutschland, und sie ist gleichzeitig die modernste. Wir zeigen, dass sich das nicht widerspricht, sondern zusammengehört. Die Konservativen sind diejenigen, die die Zukunft in diesem Land gestalten können. Das haben wir auch in der Vergangenheit bewiesen.

Die Frauenquote ist modern?

Das Mitwirken von Frauen in der Politik, mehr als das bisher der Fall war, ist modern.

Und die CSU ist besonders modern, weil sie das als letzte beschlossen hat?

Die CSU ist deshalb modern, weil wir die Zukunftsfähigkeit Deutschlands im Blick haben und Politik aus einem gesunden Wertefundament heraus gestalten.

Das Gespräch führten Robert Birnbaum und Rainer Woratschka. Das Foto machte Astrid Schmidhuber/Imago.

ZUR PERSON

GENERALSEKRETÄR

Alexander Dobrindt (40) ist seit Februar 2009 Generalsekretär der CSU. Er übernahm das Amt von Karl Theodor zu Guttenberg, der es nur vier Monate innehatte. Seine Devise: Ein Parteigeneral habe nicht nur sich selber, sondern auch dem politischen Gegner einiges zuzumuten.

CSU-POLITIKER

Dobrindts Lust am Austeilen bekommt auch der liberale Koalitionspartner zu spüren – etwa, als ihn der General im Gesundheitsstreit zur „Gurkentruppe“ erklärte. Der Oberbayer ist zuvorderst Parteipolitiker. Als 16-Jähriger stieß er bereits zur Jungen Union. Er war Ortsvorsitzender, Gemeinderat, Kreisrat und sitzt seit 2002 für die CSU im Bundestag.

SCHÜTZENKÖNIG

Auch privat fehlt es dem Diplom-Soziologen nicht an Treffsicherheit. Dreimal schon hat er sich dafür im heimischen Schützenverein Peißenberg groß feiern lassen. Dobrindt ist bodenständig, katholisch und seit 2002 verheiratet.

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