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Interview: "Der deutsche Erfolg ist nachhaltig"

Herr Klieme, Deutschland kommt zwar im Vergleich zu 2000 gut voran, aber von Studie zu Studie nur in kleinen Schritten. Woran liegt das?

Herr Klieme, Deutschland kommt zwar im Vergleich zu 2000 gut voran, aber von Studie zu Studie nur in kleinen Schritten. Woran liegt das?

Ich finde die Schritte nicht so klein. Deutlichere Zuwächse gibt es nur in Systemen, die von einem sehr niedrigen Niveau starten, etwa in Südamerika. Eine Ausnahme ist Polen, wo es bei der Lesekompetenz einen massiven Sprung gegeben hat. Dort wurden aber Lehrerausbildung und Schulsystem völlig neu geregelt. In Deutschland ist die Stetigkeit der Entwicklung wichtig. Man kann daher erwarten, dass diese Verbesserungen nachhaltig sind.

Bei der Lesekompetenz zeigt sich, dass 15-Jährige in Deutschland vor allem im Reflektieren und Bewerten schwach sind.
In den Schulen des Sekundarbereichs wird noch nicht differenziert genug mit Texten gearbeitet. Deutsche Schüler berichten, dass sie eher selten mit kognitiv aktivierenden Leseaufgaben herausgefordert werden. Lesen wird ab der 5. Klasse als Selbstverständlichkeit angesehen. Aber gerade dann muss man lernen, reflektiert und kritisch mit Texten umzugehen.

Im Lesen sind die Mädchen den Jungen weit voraus, in Mathematik ist es genau umgekehrt. Warum gelingt es den Schulen nicht, diese Unterschiede auszugleichen?
Die Schule kann an gesellschaftlichen Rollenerwartungen an Mädchen und Jungen nur begrenzt etwas ändern. Sie muss aber sicherstellen, dass beide Geschlechter die volle Breite der Bildungsmöglichkeiten haben. Mädchen müssen die Chance haben, einen Zugang zu Computern und mathematischen Methoden zu finden. Jungen müssen die Chance haben, zu erfahren, wie bereichernd es ist, sich mit Texten auseinanderzusetzen.

Verbessert haben sich die Leistungen der Schüler mit Migrationshintergrund. Wie ist das zu erklären?
Heute ist die Mehrheit in Deutschland geboren, und vor allem in türkischsprachigen Familien wird zu Hause mehr Deutsch gesprochen. In den Schulen ist die Idee der Förderung von Migranten angekommen. Aber es mangelt noch an systematisch erprobten Förderinstrumenten.

Welche Reformen würden Sie deutschen Schulen empfehlen?
Ähnlich wie es in Mathematik und den Naturwissenschaften mit dem Sinus-Programm passiert ist, brauchen wir eine konzertierte und wissenschaftlich gut fundierte Initiative für die Lese- und Sprachförderung. Bewährtes aus den Bundesländern müssen wir mit viel Unterstützung an die Schulen bringen.

Mit ihm sprach Amory Burchard.

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