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Interview: "Die Nato kann die Aktion nicht abbrechen"

Das Gaddafi-Regime steht kurz vor dem Aus, glaubt der Direktor der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes.

Vor fast genau vier Monaten begann der internationale Militäreinsatz zur Unterstützung der libyschen Rebellen im Kampf gegen das Gaddafi-Regime. Herr Perthes, ist der Konflikt noch militärisch zu lösen?

Er wird nicht militärisch gelöst, sondern militärisch entschieden werden. Die Nato kann es sich gar nicht leisten, die Aktion abzubrechen und praktisch eine Niederlage zu erklären. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis das Gaddafi-Regime stürzt, implodiert oder Teile der Gaddafi-Familie sich darauf einlassen, ins Ausland zu gehen. Das ist dann nicht durch politische Überzeugung, sondern durch militärische Aktionen geschehen.

Wenn jetzt die internationale Libyen-Kontaktgruppe mit einer Stimme den Rücktritt Gaddafis fordern sollte – könnte das der entscheidende Auslöser sein?

Forderungen nach Rücktritten von Staatsführern wie Gaddafi oder Assad bewirken wenig, weil es hier nicht um die Überzeugung geht. Sie zeigen ihm zwar seine zunehmende internationale Isolierung. Wichtiger aber ist: Die zunehmende praktische Anerkennung des nationalen Übergangsrates in Bengasi spiegelt wider, dass Gaddafi Boden verliert. Und jetzt überlegen sich eben selbst Staaten wie China, die sich der Nato-Kampagne widersetzt haben, aus ganz realpolitischen Gründen, wer künftig in Libyen Verantwortung tragen wird. So hat China einen Vertreter des Übergangsrates empfangen.

Hat die internationale Gemeinschaft im nationalen Übergangsrat verlässliche Partner nach einem Sturz Gaddafis?

Es sind die Partner, die wir haben. Wir können sie uns nicht aussuchen. Man kann dem Übergangsrat mit Rat und Tat zur Seite stehen, man kann von ihm fordern, die Menschenrechte zu wahren und dem eigenen Übergangsplan, den er ja vorgelegt hat, zu folgen, um ein demokratisches System zu schaffen. Aber sobald die Ölquellen wieder sprudeln und der Übergangsrat selbst in der Lage ist, Öl zu exportieren, wird er auch relativ druckresistent sein.

Sollte sich auch Deutschland nach einem Sturz Gaddafis in dem Land militärisch engagieren?

Mit den europäischen Partnern, mit den Vereinten Nationen und mit den Libyern selbst muss man dann diskutieren, inwieweit es nötig ist, eine Art Friedensmission unter dem Mandat der Vereinten Nationen einzurichten. Dafür sind vorher viele Fragen zu beantworten: Ist der Frieden stabil genug, um ihn sichern zu helfen, soll es eine Staatsaufbaumission geben (die mit weniger Soldaten auskäme), gibt es Gebiete, wo militärischer Schutz für humanitäre Versorgung notwendig ist. Danach entscheidet sich, was für eine Mission gebraucht wird. An einem Schutz humanitärer Aktionen sollte sich auch Deutschland beteiligen.

Das Gespräch führte Matthias Schlegel.

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