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Drohsel

© dpa

Interview: "Es ist gut, dass Beck die Auseinandersetzung sucht"

Die SPD zeigt wieder linkes Profil, findet die Kreuzbergerin Franziska Drohsel, die am Wochenende zur Juso-Chefin gewählt wurde. Kritisch will sie dennoch bleiben.

Frau Drohsel, werden die Jusos unter Ihrer Führung so unbequeme Kritiker der SPD-Führung bleiben wie bisher?

Wir bleiben konsequente Kritiker der SPD. Es ist unser Selbstverständnis, die Partei kritisch zu begleiten und das auch öffentlich zu vertreten.

Ist es für Jusos unter dem SPD-Chef Kurt Beck schwerer geworden, die SPD zu kritisieren?

Wir haben uns sehr gefreut, dass der SPD-Bundesparteitag die Bahn-Privatisierung so hart kritisiert und das Arbeitslosengeld I für Ältere verlängert hat. Denn dadurch ist deutlich geworden, dass die SPD ihr linkes, ihr soziales Profil wieder zeigt. Das gilt auch für das Grundsatzprogramm. Uns liegt der demokratische Sozialismus sehr am Herzen und wir sind froh, dass dieser Begriff im Programm bleibt. Wenn sich die SPD unter Kurt Beck also wieder mehr in Richtung soziale Gerechtigkeit entwickelt, dann unterstützen wir das sehr.

Ist Kurt Beck ein Linker?

Dass Kurt Beck die Auseinandersetzung in der Partei sucht und auch linkeren Ansichten der Genossen wieder mehr Raum gibt, das finde ich gut.

Wird Beck die Partei als Kanzlerkandidat in die nächste Bundestagswahl führen?

Ich würde sagen, diese Frage stellt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht.

Uns stellt sich diese Frage.

Kurt Beck hat gesagt, er wird sich zu gegebener Zeit äußern. Das bleibt abzuwarten.

Was verbindet eine 27-jährige Juso-Chefin mit dem Begriff „demokratischer Sozialismus“?

Der demokratische Sozialismus ist sehr zentral, weil er die grundlegende Vision der Sozialdemokratie ist. Er beschreibt eine Gesellschaft, in der sich die Menschen frei und gleich begegnen und in der die kapitalistische Logik nicht vorherrschend ist.

Klingt nach Abschaffung des Kapitalismus?

Der demokratische Sozialismus ist eine grundlegende Gesellschaftsvision, die eine kapitalismuskritische Grundposition beinhaltet. Die meisten Menschen sehen doch, dass die gegenwärtige Gesellschaftsordnung von sozialen Ungerechtigkeiten durchzogen ist. Und ich glaube, die meisten Menschen wollen, dass die Welt gerechter wird.

Hoffen Sie, den demokratischen Sozialismus noch erleben zu können?

Diese Vision steht jungen Menschen überhaupt nicht fern. Das sehen Sie daran, dass Tausende auf die Straße gehen, wenn die globalisierungskritischen Bewegungen zu Demonstrationen aufrufen.

Sie haben die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I bereits begrüßt. Wie stehen Sie zum Hartz-IV-System?

Ich plädiere dafür, die ALG-II-Bezüge von 347 Euro zu erhöhen. Weil es sehr schwierig ist, ein gutes Leben mit dem wenigen Geld zu führen. Ich sehe außerdem die Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien sehr kritisch.

Was kritisieren Sie daran?

Es ist unsozial, dass jeder Job unabhängig von Qualifikation oder sozialer Situation angenommen werden muss. Die Definitionsmacht der Arbeitsagentur über die Zumutbarkeit einer Erwerbsarbeit ist in vielen Fällen schlicht demütigend.

Es waren Genossen der SPD, die das ins Gesetzblatt geschrieben haben.

Das ändert nichts an meiner Einschätzung.

Letzte Frage: Für oder gegen die Bahn-Privatisierung?

Ich bin ganz klar dagegen. Die öffentliche Daseinsvorsorge muss in Staatshand bleiben.

Das Gespräch führte Antje Sirleschtov.

Franziska Drohsel (27) wurde am Samstag in Wolfsburg zur neuen Juso-Bundesvorsitzenden gewählt. Die Landesvorsitzende der Jungsozialisten in Berlin gehört seit 2001 der SPD an.

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