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Interview: "Italiens Spielraum wird eingeschränkt“

Der SPD-Europapolitiker Martin Schulz über Berlusconi und die Folgen des Wahlausgangs in Italien für die EU.

Im Jahr 2003 hat Sie der damalige EU-Ratsvorsitzende Silvio Berlusconi im Europaparlament beleidigt, indem er Sie mit einem Nazischergen verglich. Zuvor hatten Sie unter anderem Berlusconi Fragen nach seiner Verwicklung in Finanzskandale gestellt und die Bremserrolle Italiens bei mehreren innen- und rechtspolitischen Vorhaben der EU kritisiert. Was denken Sie heute über Berlusconi?

Meine Meinung über ihn hat sich im Wesentlichen nicht verändert. Die Hauptkritik, die damals galt, muss auch heute gelten: Berlusconi vereinigt in seiner Hand die in Italien denkbar größte wirtschaftliche Macht mit der denkbar größten Medienmacht und – wenn er Ministerpräsident werden sollte – der denkbar größten politischen Macht. Wenn der reichste Mann des Landes, der größte Medienunternehmer, obendrein noch Regierungschef ist, dann ist das in einer Demokratie gefährlich. Wir haben in den beiden vorausgegangenen Berlusconi-Regierungen gesehen, dass er im Parlament gerade Gesetze, die für das Strafrecht von Bedeutung sind, so schneidert, dass sie immer für den Regierungschef passend sind. Dazu wird dann in den Medien die passende Begleitmusik geliefert.

Gegen Berlusconi ist in Mailand ein neues Bestechungsverfahren anhängig. Strebt er möglicherweise auch deshalb das Amt des Ministerpräsidenten an, weil er da mit strafrechtlicher Immunität rechnen kann?

Ich glaube nicht, dass er jetzt Regierungschef werden will, weil er Angst vor diesem Verfahren hat. Er ist bis jetzt aus allen Verfahren herausgekommen. Er hat beim letzten Mal sein Amt als Regierungschef genutzt, um rückwirkend Gesetze zu erlassen, die ihn von Strafverfahren befreiten. So sollte verhindert werden, dass man ihn wieder belangen könnte, wenn er die Immunität verliert. Zwar nutzt Berlusconi als Regierungschef ganz gern den Mitnahmeeffekt, sich mit der Hilfe parlamentarischer Mehrheiten die Staatsanwälte vom Hals zu halten. Aber ich glaube nicht, dass dies sein vorrangiges Ziel ist.

Sondern?

Berlusconi hat eine ganz bestimmte Vorstellung davon, wie Italien aussehen sollte. Er ist ein Marktradikaler. Man muss außerdem sehen, dass ein Mann, der ein solches Medienimperium aufgebaut hat, auch die politischen Früchte ernten will.

Was bedeutet die Rückkehr Berlusconis für die Europapolitik?

Ich glaube nicht, dass Berlusconi mit großem Engagement dabei mithelfen wird, mehr Transparenz auf den Finanzmärkten herzustellen. Ich denke auch nicht, dass er bei der Einhaltung der Defizitkriterien sehr hilfreich sein wird. Vor allem wird unter Berlusconi in all den Bereichen nicht mit Italien zu rechnen sein, in denen wir schon vor Jahren Konflikte mit ihm hatten: Beim Austausch von Daten zwischen EU-Staaten, bei der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung im gemeinsamen europäischen Verbund. Außerdem zeichnen sich nach dieser Wahl große Zugewinne für die Lega Nord ab. Dies dürfte Italiens Spielraum in der Europapolitik einschränken – vor allem in der Innen- und Rechtspolitik.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

Martin Schulz ist Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament. Der SPD-Politiker gehört dem in Brüssel und Straßburg tagenden EU-Parlament seit 1994 an.

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