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Interview: Jens Bullerjahn: "Wenn wir uns nicht schnell einigen, werden alle Prügel beziehen"

Jens Bullerjahn, Sozialdemokrat, Finanzminister und stellvertretender Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, über die Bundesratsabstimmung zur Hartz-IV-Reform.

Ihn könnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Auge haben: Jens Bullerjahn, Sozialdemokrat, Finanzminister und stellvertretender Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt. Er ist als Juniorpartner in einer Koalition mit der CDU unter Ministerpräsident Wolfgang Böhmer. Am 20. März wird in Sachsen-Anhalt gewählt und sollte die Hartz-IV-Reform im Bundesrat auch am Veto oder der Enthaltung Sachsen-Anhalts scheitern, wird Bullerjahn, der auch SPD-Spitzenkandidat ist, vor allem mit Attacken der Linken kämpfen müssen. Deshalb gilt sein Land als Wackelkandidat. Mit ihm sprachen Rainer Woratschka und Matthias Schlegel.

Herr Bullerjahn, haben Sie schon einen Anruf Ihres Parteichefs Sigmar Gabriel bekommen mit der Forderung: „Bleib’ standhaft beim Thema Hartz IV“?

Es gab schon mehrere Telefonate deswegen. Wir hatten ja vereinbart, dass sich diejenigen, die im Bundesrat sitzen, auf dem Laufenden halten. Ich habe aber auch schon mit Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) darüber gesprochen.

Was müsste denn passieren, damit Sachsen-Anhalt dem vorliegenden Regierungsentwurf im Bundesrat am Freitag zustimmt?

Es muss ein Ergebnis geben. Und ich weiß: Es wird am Ende auch eines geben. Alle werden aufeinander zugehen müssen. Die SPD ist ja bisher schon sehr kompromissbereit gewesen. Aber in den zentralen Punkten der Zeitarbeit muss die FDP weg davon, dass gleiche Löhne erst nach neun Monaten bezahlt werden sollen. Das ist vor allem für Ostdeutschland wichtig. Es geht jetzt nicht darum, dass alle ihr Gesicht wahren können. Die Bundesregierung kann nicht einfach an ihrem Entwurf festhalten und sagen: Stimmt zu! Und alles, was die SPD sagt, nur als Beiwerk betrachten. Das kann nicht funktionieren.

Wie wird Sachsen-Anhalt am Freitag im Bundesrat stimmen?

Ich werde darüber mit Herrn Böhmer sprechen. Ich gehe aber davon aus, dass wir uns sicherlich enthalten werden. Der vorliegende Entwurf wird keine Mehrheit kriegen. Und dann wird es ein neues Verfahren geben. Wenn wir uns dann nicht schnell einigen, werden alle Beteiligten Prügel beziehen.

Einem unveränderten Regierungsentwurf werden Sie also definitiv nicht zustimmen?

Dem jetzt vorliegenden Entwurf werden wir nicht zustimmen.

Was müsste Ihnen geboten werden, damit Sie sich zur Zustimmung zum Regierungsentwurf durchringen könnten?

Das Paket, das auf dem Tisch liegt, betrifft sehr viele Menschen in Deutschland und braucht deshalb eine breite Akzeptanz. Es geht ja nicht um Kohlehilfen oder Werften, sondern um etwas Grundsätzliches, das den Sozialstaat als Ganzes betrifft. Da wäre es fatal, wenn Politik oder einzelne Bundesländer den Eindruck erwecken, man sei käuflich. Das müssen die Parteien in Berlin hinkriegen. Wenn es eine große Koalition in Berlin gäbe, wäre das Ding schon durch. Frau Merkel wird den Wahlabend noch verfluchen, an dem die SPD so wenige Stimmen bekommen hat. Bei den zentralen Punkten Mindestlöhne und Zeitarbeit muss sich die Regierung bewegen.

Befürchten Sie nicht, man könnte Ihnen im Wahlkampf anlasten, das Scheitern der Reform nicht verhindert zu haben?

Ich überschätze mich hier nicht. Das ist eine bundesweite Regelung, sie muss durch gemeinsames Agieren von Parteien gelöst werden, die das auch bei anderen Konstellationen nicht gleich wieder hinterfragen. Ich habe überhaupt nichts davon, wenn ein einzelnes Land hier Zünglein an der Waage spielt und sich irgendetwas davon erhofft.

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