zum Hauptinhalt
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD).

© dpa

Interview mit dem Wehrbeauftragten zur Türkei: "Kurden müssen Teil der Lösung des Konflikts sein"

Der neue Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, kritisiert das Vorgehen der Türkei gegen die Kurden. Doch er sieht keinen Grund für einen Abzug der Bundeswehrsoldaten aus der Türkei.

Herr Bartels, Deutschland unterstützt die Türkei mit zwei Flugabwehrsystemen samt Personal. Sollten die Soldaten angesichts der aktuellen türkischen Politik abgezogen werden?
An der Bedrohungslage für die Türkei hat sich nichts geändert. Deshalb wäre es falsch, über eine Aufkündigung der Bündnissolidarität nachzudenken. Die Strategie, die die Türkei im Mittleren Osten verfolgt, ist allerdings Anlass für eine Debatte. Das türkische Vorgehen steht im Widerspruch zu den Interessen der Nato-Partner, die im Kampf gegen den Islamischen Staat mit den Kurden kooperieren.

Spricht die Nato mit einer Stimme? Die USA haben der Türkei doch Rückendeckung beim Vorgehen gegen die PKK gegeben.
Auch darüber muss man reden, denn es sollte auch im Interesse der USA liegen, dass Nato-Staaten keine unterschiedlichen Strategien im gleichen Konflikt verfolgen.

An Ankara scheint jede Kritik abzuprallen. Wäre der Stopp von Waffenexporten ein geeignetes Druckmittel?
Drohungen helfen sicher nicht weiter. Schließlich können wir den Konflikt im Mittleren Osten ohne die Türkei nicht lösen. Man darf auch nicht vergessen, dass das Land mehr als eine Million Flüchtlinge aufgenommen hat. Dennoch müssen wir unserem Nato-Partner klar machen, dass die Kurden nicht Teil des Problems, sondern ein Teil der Lösung des Konflikts in der Region sein müssen.

Welche Auswirkungen hat die aktuelle Entwicklung auf die deutschen Soldaten?
Die Anschlagsgefahr in der Türkei ist größer geworden. Darauf hat die Bundeswehr reagiert und hat die Sicherheitsbestimmungen für die Soldaten außerhalb der Kaserne angepasst. Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bundeswehr selbst ein Anschlagsziel ist. Das Hauptproblem für die Soldaten ist, dass ein Teil von ihnen viel zu oft im Einsatz ist. Früher gab es sechs Flugabwehrraketengeschwader, heute nur noch eines. Und das agiert am personellen Limit.

War der Abbau dieser Fähigkeiten also ein Fehler?
Die Raketenabwehr gehörte zu den besonderen Stärken der Bundeswehr. Andere Nato-Partner verlassen sich hier auf unsere Kapazitäten. Wenn wir diese zurückfahren, betrifft das also nicht nur uns. Das sollte bei der angekündigten Nachsteuerung der Bundeswehrreform berücksichtigt werden.

Werden die in der Türkei stationierten Patriot-Systeme überhaupt noch gebraucht? Bisher wurden sie nie eingesetzt.
Wir wissen nicht, welche Konfliktparteien in Syrien heute oder in Zukunft über Assads Raketen verfügen. Und wir wissen auch nicht, gegen wen diese Waffen dann eingesetzt werden. Es gibt also weiter eine latente Bedrohung der Türkei, vor allem durch den IS.

Hans-Peter Bartels ist seit Mai 2015 Wehrbeauftragter des Bundestages. Zuvor vertrat der SPD-Politiker seine Partei im Verteidigungsausschuss, dem er auch vorsaß.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false