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Politik: Interview mit Hubertus Knabe, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gauck-Behörde, über die Westarbeit des Ministeriums für Staatssicherheit

Herr Knabe, hat sich der Generalbundesanwalt schon bei Ihnen gemeldet, um von Ihnen Informationen über die Machenschaften der Stasi-Agenten im Westen zu erhalten?Nein.

Herr Knabe, hat sich der Generalbundesanwalt schon bei Ihnen gemeldet, um von Ihnen Informationen über die Machenschaften der Stasi-Agenten im Westen zu erhalten?

Nein. Aber ich hatte mehrmals Kontakt mit Joachim Lampe, dem ermittelnden Bundesanwalt in Sachen West-Arbeit der Stasi.

Ihr Vorhaben, ein Buch über Ost-Spione in der Bundesrepublik zu schreiben, hat bundesweit Aufsehen erregt. Ist die Aufregung inhaltlich gerechtfertigt?

Mir geht es nicht um spektakuläre Enthüllungen, sondern um zeithistorische Forschung. Ich habe untersucht, mit welcher Systematik das Ministerium für Staatssicherheit im Westen spionierte und welche Wirkungen es dabei erzielte.

Hat es tatsächlich eine Unterwanderung der Bundesrepublik gegeben?

Das Mielke-Ministerium hat Institutionen, Parteien und soziale Bewegungen planmäßig infiltriert. Ziel war es, die SED-Herrschaft zu sichern und dem sozialistischen System weltweit zum Sieg zu verhelfen. Mit geheimdienstlichen Operationen wurden SED-kritische Kräfte bekämpft und DDR-freundliche unterstützt. Den wenigsten Westdeutschen dürfte bewusst sein, dass die Stasi als konspirative Kraft immer dabei war.

In Westdeutschland sollen mehr als 20 000 Inoffizielle Mitarbeiter des MfS gearbeitet haben. Hatten sie einen prägenden Einfluss auf die Gesellschaft?

Die Einflussnahme auf politische Prozesse ist immer sehr komplex. MfS-Agenten und kommunistische Kader wirkten in einer Art Zangenbewegung. Beispielsweise wurde die Studentenbewegung der sechziger Jahre gezielt radikalisiert, um das bundesdeutsche System zu erschüttern. Auch die Friedensbewegung wurde vom MfS geschürt. Einflussagenten wie William Borm (FDP) hatten erhebliche Ausstrahlung. Die Kampagnen gegen Heinrich Lübke oder Herbert Wehner wurden von der Stasi mit unglaublichem Aufwand organisiert. DDR-Kritiker wie Jürgen Fuchs oder Wolf Biermann verfolgte man bis in den Westen.

Muss die deutsch-deutsche Nachkriegsgeschichte jetzt neu geschrieben werden?

Was die Stasi betrifft, sicherlich ja. In der zeithistorischen Forschung spielt diese Dimension bislang so gut wie keine Rolle. In den Büchern über die FDP oder die Studentenbewegung wird die Stasi-Anbindung wichtiger Akteure nicht einmal erwähnt. Parteien oder Gewerkschaften verdrängen das Thema. Die Aufarbeitung steht noch ganz am Anfang, zumal nur ein Bruchteil der einstmals vorhandenen Unterlagen zur Verfügung steht.

Viele Forscher sehen das anders und messen der West-Arbeit der Stasi keine besondere Bedeutung zu.

Diesen Eindruck habe ich nicht. Manche meinen allerdings, dass aus den wenigen Unterlagen auf ebenso wenige Aktivitäten zu schließen wäre. Andere sagen, es hätte sich nur um Pläne gehandelt. Diejenigen, die sich intensiver mit dem Aktenmaterial beschäftigt haben, sehen wie ich den Einfluß der Staatssicherheit.

In der Gauck-Behörde haben Sie sich eine Menge Ärger eingehandelt. Leiden Sie unter Zensur oder unter Profilierungssucht?

Ich gehöre zu den wenigen Wissenschaftlern, die sich, auch aus biografischen Gründen, der West-Dimension des Stasi-Problems systematisch zugewandt haben. Das verschafft mir eine unerwartete Aufmerksamkeit und zuweilen auch Probleme. Die Brisanz des Themas ist offensichtlich immer noch größer als man erwarten sollte.

Wurden Ihre Forschungen behindert?

Aus arbeitsrechtlichen Gründen kann ich mich zu behördeninternen Vorgängen nicht äußern. Es gibt allerdings ein Spannungsfeld zwischen den dienstrechtlichen Hierarchien einer Behörde und der grundgesetzlich gesicherten Freiheit des Wissenschaftlers zu forschen und zu publizieren. Gerade deshalb muss unser Haus immer wieder unter Beweis stellen, dass die Forschung nicht behindert wird. Es ist schließlich unser Auftrag, die Öffentlichkeit über die Staatssicherheit zu informieren und nicht, dies zu verhindern. Herr Gauck sieht dies wie ich.

Sie wollen das mit zwei zeitgleich im Herbst erscheinenden Büchern tun.

Das hoffe ich sehr. Die Gauck-Behörde bemüht sich gegenwärtig um einen Kompromiss. Das Problem ist, dass der Hausverlag der Behörde nicht gerade begeistert ist, dass ein so renommiertes Haus wie der Propyläen-Verlag zum selben Thema ein Buch herausbringt. Das Buch ist jedoch eher für Spezialisten und das andere für ein breites Publikum. Beide haben ihre Berechtigung und ergänzen sich gegenseitig. Wie die derzeitige Diskussion zeigt, scheinen sich die Menschen jedenfalls dafür zu interessieren.

Herr Knabe[hat sich der Generalb], esanwalt schon

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