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Das Thema Datenschutz wird weiter lebhaft diskutiert.

© ddp

Interview mit Peter Hustinx: "Ohne Privatsphäre sind wir nie völlig sicher"

Freiheit contra Sicherheit: Der EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über Terrorabwehr in den USA, europäische Werte und und naive Internetnutzer.

Herr Hustinx, wie würden Sie als oberster Datenschützer der Europäischen Union Ihre Haltung zum Internet in einem Satz zusammenfassen?

Wir müssen in einen besseren Datenschutz im Internet investieren und gleichzeitig die gegenwärtigen Datenschutzbestimmungen überarbeiten.

Bei einer Konferenz haben Sie 2007 beklagt, dass einige Internetnutzer in puncto Datenschutz „furchtbar naiv“ seien. Aber könnte es nicht auch sein, dass manche Nutzer auch ganz einfach auf den Datenschutz pfeifen?

Das ist schon möglich. Es gibt einen wachsenden Anteil von Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind. Ich sage ja auch nicht, dass das Internet schlecht ist. Aber die meisten Leute haben keine Ahnung, was passiert, wenn sie eine E-Mail verschicken, eine Suchanfrage starten oder plötzlich nette Werbung auf ihrem Schirm auftaucht. Sie machen sich keine Vorstellung davon, in welchem Maße ihre Daten analysiert und Profile erstellt werden. Wenn die Verantwortlichen künftig Rechenschaft über ihre Praktiken ablegen, werden auch die Nutzer künftig selektiver vorgehen.

In Deutschland regen sich viele Leute darüber auf, dass ihre Gebäude bei „Street View“ beim Internetriesen Google auftauchen. Gleichzeitig klagten hierzulande fast 35 000 Menschen gegen die Vorratsdatenspeicherung vor dem Bundesverfassungsgericht. Ist die Sorge um den Datenschutz hier besonders ausgeprägt?

 Peter Hustinx (65) ist seit 2004 Datenschutzbeauftragter der EU. Seine zweite Amtszeit läuft bis 2014. Der Jurist war zuvor Präsident der niederländischen Datenschutzbehörde.
Peter Hustinx (65) ist seit 2004 Datenschutzbeauftragter der EU. Seine zweite Amtszeit läuft bis 2014. Der Jurist war zuvor Präsident der niederländischen Datenschutzbehörde.

© Francois Walschaerts/epa/dpa

In jedem Fall wird der Datenschutz in Deutschland lebhaft diskutiert – das ist sehr willkommen. Dazu haben auch die Datenskandale bei der Deutschen Bahn und der Deutschen Telekom beigetragen. Und nicht zuletzt die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum Datenschutz.

Kommen wir zum Verhältnis zwischen der EU und den USA beim Datenschutz. Was hat sich da seit den Anschlägen vom 11. September verändert?

In der ersten Phase nach dem 11. September wurden viele individuelle Freiheiten zugunsten der Sicherheit aufgegeben. Die Politiker waren der Ansicht, dass dies unvermeidlich war. Inzwischen sind wir nicht mehr so sicher, ob all diese Beschneidungen der Privatsphäre notwendig waren und wie viel sie überhaupt gebracht haben. Jetzt befinden wir uns in einer Phase, in der die Politik nach einer Neubewertung verlangt. Die Justiz- und Innenminister der EU sind zu dem Schluss gekommen, dass der Datenschutz ein wesentlicher Bestandteil künftiger Sicherheitsmaßnahmen sein muss. Ohne Privatsphäre können wir uns niemals völlig sicher fühlen.

Datenflug. Seit 2001 fordern die USA schon vor dem Abflug – wie hier in Frankfurt – Informationen über Passagiere.
Datenflug. Seit 2001 fordern die USA schon vor dem Abflug – wie hier in Frankfurt – Informationen über Passagiere.

© picture-alliance/ dpa

In den USA wird das genauso gesehen?

Die USA bewegen sich in diese Richtung. Das ist nicht ganz einfach, aber im Unterschied zu seinem Amtsvorgänger nimmt US-Präsident Barack Obama auch beim Datenschutz die europäische Sichtweise auf. Die US-Regierung zeigt sicherlich ein größeres Verständnis für die europäische Herangehensweise als vorher. US-Außenministerin Hillary Clinton und Vizepräsident Joe Biden haben mehrfach betont, dass sie unsere Werte teilen.

Im Februar hat das EU-Parlament das Swift-Abkommen über die Weitergabe von Bankdaten gestoppt, welche die US-Behörden im Anti-Terror-Kampf einsehen wollen. Jetzt wird über ein neues Swift-Abkommen verhandelt. Wie müsste es nach Ihrer Auffassung aussehen?

Es sind noch viele schwierige Fragen auf dem Tisch. Es ist weiter offen, ob die Sammlung zahlreicher Bankdaten überhaupt geboten ist. Die Übermittlung einiger dieser Daten ist aber nach der herrschenden Meinung notwendig. Ich würde nach einer Lösung suchen, bei der private Bankdaten nicht automatisch übermittelt werden, sondern nur in Fällen, in denen die Notwendigkeit untermauert wird. Das EU-Parlament besteht aus gutem Grund darauf. Dann stellt sich die Frage, wer in der EU und in den USA überwacht, ob die datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Und welche Klagemöglichkeiten gibt es? Es müssen also sehr viele Details geklärt werden, bevor das EU-Parlament die Neufassung der Swift-Vereinbarung annehmen wird

Die EU-Bankdaten könnten auch für europäische Terrorfahnder interessant sein. Ist es vorstellbar, dass aus Sicherheitsgründen auch innerhalb der EU ein eigenes System zur Erfassung der Swift-Daten aufgebaut wird?

Das ist eine theoretische Möglichkeit. Ich kann derzeit nicht erkennen, dass in der EU an einem eigenen Programm gearbeitet wird. Wir sollten auch nicht wie ein Schlafwandler in diese Richtung tappen.

Hat es zum Verständnis der europäischen Datenschutzregeln in den USA beigetragen, dass das EU-Parlament die Swift-Vereinbarung ablehnte?

Sicherlich stellte das Votum für die US-Seite eine große Enttäuschung dar, weil Washington die EU-Abgeordneten bis zur letzten Minute zu einer Annahme des Abkommens gedrängt hat. Aber die Botschaft ist angekommen. Das Europaparlament hat seine Macht gezeigt. Dabei ist es sehr weise, wenn die Abgeordneten jetzt keine Gewohnheit daraus machen, Vereinbarungen mit den USA zu kippen. Das zeigt sich auch in den gegenwärtigen Gesprächen über die Weitergabe von Flugdaten an die USA. Genau in dieser Haltung liegt das politische Kapital des EU-Parlaments.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

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