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Steffen Bockhahn

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Exklusiv

Interview mit Steffen Bockhahn: Linken-Politiker zweifelt am Sinn des NSA-Untersuchungsausschusses

Steffen Bockhahn, Vertreter der Linken im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages, hält nicht viel vom geplanten Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre. Er kann sich bessere Wege zur Aufklärung vorstellen.

Von Matthias Meisner

Herr Bockhahn, die womöglich interessantesten Zeugen vor dem geplanten NSA-Untersuchungsausschuss werden voraussichtlich schweigen. Wird dieser Ausschuss des Bundestages zum Spektakel?

Das größte Problem wird sein, dass dieser Ausschuss in den weitesten Teilen seiner Arbeit nicht öffentlich tagen wird. Die öffentliche Erkenntnis aus der Arbeit dieses Ausschusses wird sich also im Rahmen halten. Und inwieweit die wichtigsten Zeugen überhaupt vernommen werden können, ist auch ungeklärt. Aus meiner Sicht ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass der Chef der NSA oder die Leiter britischer Geheimdienste zu einer wahrheitsgemäßen Zeugenaussage in den Deutschen Bundestag kommen werden. Und deswegen müssen wir uns Gedanken machen, wie wir diese Geheimdienstaffäre aufklären können.

Wie denn?

Wir müssen die Dinge, die öffentlich geklärt werden können, im Innenausschuss des Deutschen Bundestages klären. Wir müssen darauf achten, dass das parlamentarische Kontrollgremium endlich deutlich besser arbeitsfähig wird als das heute der Fall ist. Und wir brauchen dort auch dringend eine Stärkung der Minderheitenrechte. Heute braucht man dort die Mehrheit der Mitglieder, um einen Tagesordnungspunkt aufsetzen zu können. Im neuen parlamentarischen Kontrollgremium werden voraussichtlich neun Leute der Koalition angehören und zwei der Opposition. Diese zwei müssen natürlich wenigstens Tagesordnungspunkte aufsetzen können und Beweisanträge stellen können. Dann wird es natürlich auch notwendig sein, dass der Bundestag in Gänze der Bundesregierung unmissverständliche Aufträge erteilt, was sie, erstens, gegenüber den deutschen Geheimdiensten zu tun hat, und zweitens, was sie gegenüber den internationalen Partnern zu verhandeln hat, um dort zu Klarheit zu kommen.

Auch die Vernehmung von Edward Snowden gestaltet sich als schwierig. Asyl will ihm die Bundesregierung nicht gewähren. Sehen Sie ihn als Schlüsselfigur bei der Aufklärung, wie kann er dazu beitragen?

Edward Snowden ist selbstverständlich eine sehr bedeutsame Figur. Die Bundesregierung hat ihm gegenüber eine mindestens moralische Pflicht. Er hat dazu beigetragen, uns darüber zu informieren, was unsere Freunde mit uns tun. Deshalb sollten wir ihm gegenüber zumindest ein gewisses Maß an Dankbarkeit zeigen. Völlig klar ist, dass wir prüfen müssen, ob er in einem juristischen Verfahren von Bedeutung ist. Wenn er das ist, dann sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um ihn hier zu vernehmen und ihm dann hier auch einen sicheren Aufenthalt gewähren zu können.

Ausdrücklich also: Vernehmung hier in Deutschland, nicht in Moskau?

Edward Snowden steht nach meinem Eindruck aus guten Gründen einer Befragung in Moskau nicht besonders offen gegen. Wenn Edward Snowden gegenüber den Deutschen und anderen Auskünfte erteilt, könnte es sein, dass sein Gastgeber Wladimir Putin durchaus auch mal welche haben möchte. Putin könnte Snowden auch unter Druck setzen, was die Verlängerung seines zeitlich bis zum Sommer befristeten Asyls angeht.

Macht eine Vernehmung von Angela Merkel vor dem Untersuchungsausschuss Sinn?

Auch Angela Merkel ist eine wichtige Zeugin. Sie weiß ja, was sie mit den Regierungschefs von Großbritannien und der Vereinigten Staaten von Amerika, was das Thema Geheimdienste betrifft, besprochen hat. Mit beiden hat sie in diesem Jahr über dieses Thema gesprochen. Sie weiß auch, welche Maßnahmen die Bundesregierung unternommen hat, um Abhörsicherheit herzustellen. Vor allem wird sie darüber sprechen müssen, was sie als Regierungschefin, die letztlich die Verantwortung trägt, zu tun gedenkt, um die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland vor massenhafter Ausspähung zu schützen. Und auch darüber, wie die vertraulichen Informationen, die im Regierungsviertel ausgetauscht werden, vor pauschalen Abhöraktionen geschützt werden können. Letztlich muss sie dafür sorgen, dass den Partnerländern klargemacht wird, dass völkerrechtsverbindliche Verträge gelten. Das heißt, dass das Abhören aus Botschaften heraus schlicht unakzeptabel ist.

Sie haben eben im Zusammenhang mit den USA von "unseren Freunden" gesprochen. Ihre Genossin Sahra Wagenknecht, die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, hat dieser Tage eine völlige Neuordnung des transatlantischen Verhältnisses gefordert und die USA als Regime der Angst bezeichnet. Teilen Sie diese scharfe Kritik?

Ich finde es unerträglich, in welcher Art und Weise immer in Pauschalisierungen über Russland und China gesprochen wird. Genauso finde ich es unerträglich, wenn man in gleicher Art und Weise mit umgekehrten Vorzeichen über die Vereinigten Staaten von Amerika oder Großbritannien spricht. Ich habe viel auszusetzen an der Regierungsführung in den USA, und ich habe viel auszusetzen an der Regierungsführung in Russland. Aber ich habe auch viel auszusetzen an der Regierungsführung in Deutschland.

Wieso war eigentlich der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele bei Snowden in Moskau und nicht Gregor Gysi?

Hans-Christian Ströbele hat sich intensiver darum bemüht. Letztlich jedoch ist es nicht ein Wettlauf darum, wer Erster war. Wir sind Hans-Christian Ströbele zu Dank verpflichtet, weil er den Stein noch mal ins Rollen gebracht hat. Und jetzt wird es darum gehen, dass wir gemeinsam für Aufklärung und ein Ende der massenhaften Bespitzelung sorgen.

Steffen Bockhahn (34) aus Rostock war von 2009 bis 2013 Bundestagsabgeordneter der Linken. Bis zur Entscheidung über die neue Zusammensetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig ist, vertritt er dort weiter seine Partei. Das Gespräch führte Matthias Meisner.

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