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Detlef Junker

© privat

Interview: "Obama hat die Gunst der Stunde hinter sich"

Bei den Demokraten ist das Rennen um die Präsidentschafts-Kandidatur auch nach dem Super Tuesday weiter offen. Obama und Clinton "werden es bis zur letzten Stimme durchfechten", sagt US-Experte Detlef Junker im Interview mit Tagesspiegel Online. Einen Favoriten hat er aber doch.

Herr Junker, war das der erwartete Super Tuesday? Eigentlich sind wir doch jetzt so schlau wie vorher.

Für mich war es das erwartete Ergebnis, zumindest was die Demokraten angeht. Der enge Kampf zwischen Hillary Clinton und Barack Obama wurde ja auch vorausgesagt.

Ungewöhnlich war für mich, dass bei den Republikanern Mike Huckabee und Mitt Romney zwar verloren haben, aber noch im Rennen sind. Sie werden es nicht gewinnen, aber sie werden so schnell auch nicht aufgeben.

Barack Obama hat bei den Demokraten mehr Staaten, Hillary Clinton hingegen mehr Stimmen gewonnen - unter anderem in New York und Kalifornien. Was bedeutet das für den weiteren Verlauf?

Es ist schon erstaunlich, wie sich Obama jetzt nach vorne schiebt. Allerdings: Bei den Delegiertenstimmen, die ja entscheidend sind, liegt er hinten. Es wird weiter ein harter Kampf werden.

Auch interessant: Clinton hat die Border-States wie New Mexico und Arizona gewonnen. Das scheint eine Tendenz zu bestätigen, dass sie sich sehr auf die Latinos stützen kann. Das sollte im Trubel um New York und Kalifornien nicht untergehen.

Aber Sie räumen Obama durchaus Chancen ein.

Ja, ich räume Obama weiter Chancen ein. Er ist, wie die Amerikaner sagen, "inspirational". Viele sagen, er inspiriert, gibt uns neue Hoffnung, verspricht einen neuen Morgen. Insofern führt er geradezu einen klassischen Präsidentschaftswahlkampf. Denn die Identität der Amerikaner wurde nie aus der Vergangenheit genährt, sondern aus dem Versprechen einer neuen und besseren Zukunft.

Das scheint bei vielen jungen Leuten und Akademikern angekommen zu sein. Viele junge Leute sagen: "Verdammt noch mal, mein ganzes Leben waren entweder Bushs oder Clinton Präsident - ich hab die Nase voll." Und dieses Grundbedürfnis nach Wandel verspricht Obama zu befriedigen.

Clinton ist natürlich sehr viel erfahrener und sie ist eine harte Kämpferin. Sie wird nicht nachgeben. Die beiden werden es bis zum bitteren Ende und bis zur letzten Stimme durchfechten müssen.

Die so genannten Super-Delegierten sind bei den Demokraten nun das Zünglein an der Waage.

Es kann durchaus sein sein, dass diese 200 Super-Delegierten am Ende die Entscheidung fällen. Diese Leute sind keine frei schwebenden Intellektuellen, sondern gewählte Amtsträger. Jeder von ihnen hat seine eigenen Interessen. Da wird dann knallhart in den Hinterzimmern ausgehandelt, für welchen Preis man für Clinton oder Obama ist. Das geht ruppig zu.

In einigen Wahlstatistiken sind diese Super-Delegierten schon den Kandidaten zugeschlagen. Danach hat Clinton die Mehrzahl auf ihrer Seite.

Da muss man unterscheiden. Manchmal ist es in der Tat so, dass diese Leute de jure im ersten Wahlgang an einen Kandidaten gebunden sind. Im zweiten oder dritten Wahlgang sind sie das aber nicht mehr. Was dann bei unklarer Situation auf einem aufgeladenen Parteitag passiert, weiß man nicht. Das ist dann nur noch "horse trading", ein Pferdemarkt erster Güte.

Wer wäre der angenehmere Gegner für die Republikaner: Clinton oder Obama?

Ich glaube, das wäre Clinton, denn dann würde folgendes passieren: Erstmal würden die Republikaner alle alten Skandale hochkochen. Und ich weiß, da sind verschiedene Rechercheteams am Werk, um auch neue Skandale zu verbreiten. Weiterhin würden die Republikaner die Wähler fragen, ob sie wieder zwei Clintons im Weißen Haus haben wollen. Keiner kann sich ja vorstellen, dass Bill Clinton nur den Elder statesman gibt und seine Frau regieren lässt.

Obama hingegen hat mit seiner Jugend einen Teflon-Effekt. Insofern wäre er der schwierigere Gegner für Republikaner. Allerdings könnten die Republikaner versuchen, mindestens unterschwellig, die "Rassenkarte" gegen Obama auszuspielen.

Bei den Republikanern spricht das Ergebnis klar für John McCain. Auf seine Popularität könnte sich das negativ auswirken, weil in den kommenden Monaten alle auf das Duell der Demokraten schauen.

Nein, das glaube ich nicht. Angenommen wir bekämen einen Wahlkampf McCain gegen Obama, dann wäre das ein Generationswahlkampf. McCain vertritt mehr das Primat der Außenpolitik. Er hat ja eine ganz unvorsichtige Äußerung gemacht, in die wirtschaftlichen Dinge müsse er sich erst einarbeiten. Er wird mehr die Konservativen ansprechen.

Obama hingegen will, wie er sagt, auch innenpolitische Reformen. Nur: Da kommt einer ins Weiße Haus und am nächsten Tag übernehmen die Taliban oder Al-Kaida in Pakistan das Ruder - da können Sie die Gesundheitsreform zunächst vergessen.

Deutschland und Europa müssen mit der US-Außenpolitik leben. Welchen der Kandidaten sollen wir uns als Präsidenten wünschen?

Tendenziell natürlich einen Demokraten. Alle Demokraten haben eines gesagt: Sie wollen versuchen, das Ansehen der USA in der Welt zu verbessern.

Das Problem wird jedoch sein: Wir werden viele enttäuschte Erwartungen sehen. Denn wenn die USA zu mehr Zusammenarbeit bereit sind, dann wird auch die EU aufgefordert sein mehr zu tun. Es wird sich einmal mehr herausstellen, dass wir Europäer keine gemeinsame Außenpolitik haben.

Die Amerikaner werden - das sieht man ja aktuell an Afghanistan - mehr Geld und mehr Truppen aus Europa fordern. Auch eine neue US-Administration wird amerikanische Interessen vertreten.

Wir werden vielleicht weniger Arroganz der Macht in Amerika haben, aber unsere Arroganz der Ohnmacht wird bleiben.

Ihr persönlicher Favorit: Wer gewinnt die Wahl?

Ich habe keinen persönlichen Favoriten. Aber im Moment tendiere ich ein wenig zu Obama. Er hat die Gunst der Stunde hinter sich.

Professor Detlef Junker ist Gründungsdirektor des Heidelberg Center for American Studies (HCA). Das Interview führte Simon Frost.

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