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Interview: "Seit Platzecks Abgang hat es Merkel schwerer"

Bei CDU und CSU wächst der Unmut über den politischen Kurs von Angela Merkel. Was vermisst die Union bei ihrer Kanzlerin, Herr Langguth?

Das inhaltliche Profil der Regierung wirkt verschwommen, vermisst wird ein klares Reformkonzept. Viele Unionsanhänger haben den Eindruck einer Sozialdemokratisierung der Regierung. Auch wenn ein Vergleich mit Kohl schwierig ist, weil dieser nie einer großen Koalition vorstand: Er wirkte im Gegensatz zu Merkel wie eine Eiche, die sich nicht von Tageshektik beeinflussen ließ. Trotz rauer See schien er immer einen festen Kompass zu haben.

Reizt die Union die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit in der Koalition aus?

Die Union macht zumindest ihren eigenen Wählern gegenüber den Eindruck einer zu großen Kompromissbereitschaft. Das konnte man beim Antidiskriminierungsgesetz sehen. Dazu kommt, dass auch die SPD Probleme mit ihrer Basis hat. Das ist einer der Gründe, warum Merkel der SPD oft entgegenkommt.

Die Kritik richtet sich vor allem gegen Merkel. Aber was ist mit den Ministern der Union, die im Kabinett sitzen?

Eigentlich haben die Minister der SPD die schwierigeren Ressorts und die Unionspolitiker könnten eher Zukunftsthemen besetzen. Aber die Union kann damit nicht punkten. Generell ist für Merkel das Regieren in der Koalition nach dem Abgang von Matthias Platzeck als SPD-Chef schwieriger geworden. Die Stellung von Vizekanzler Müntefering ist jetzt weniger stark. Kurt Beck versucht, die Partei wieder mehr in den Vordergrund zu schieben, Müntefering wirkt fast schon resignativ. Solange Platzeck Parteichef war, konnte Müntefering eine relativ starke Koordinierungsrolle wahrnehmen. Ohnehin gibt es insgesamt ein Koordinierungsproblem in der Koalition. Beide Formationen haben Schwierigkeiten, die jeweiligen großen Bundestagsfraktionen auf den Regierungskurs einzuschwören.

Woran liegt es, dass Merkel kein wirkliches Team um sich hat?

Das stimmt nicht so ganz. Im Kabinett wird mehr diskutiert als noch bei Schröder oder Kohl. Aber die Probleme sind gewaltig und die politischen Unterschiede zu groß. Es ist nicht so, dass die Minister keine Möglichkeit hätten, sich über ihre Positionen mit der Kanzlerin auszutauschen. Sie macht bisher auch keine expliziten Alleingänge, so wie es bei Schröder oft der Fall war. Merkel hat weniger ein Problem mit ihren Ministern, sie hat aber Probleme, ihre Partei und ihre Fraktion hinter sich zu bekommen.

Politik ist ja auch als Werben um Zustimmung zu verstehen. Hat Merkel dafür ein Talent?

Sie kann durchaus überzeugend wirken, aber sie ist keine Christdemokratin mit tiefgegründetem Wurzelwerk. Sie wirkt sehr pragmatisch auf die Menschen, das kann auch ein Vorteil im Hinblick auf Wechselwähler sein. Aber die Bürger wollen eben auch Orientierung und nicht eine ständige Kompromissinstitution vor sich haben. Sie wollen wissen, welches Koordinatensystem Merkel vertritt.

Gerd Langguth ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bonn.

Das Gespräch führte Fabian Leber. ()

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