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Pofalla

© dpa

Interview: "Streit schätzen unsere Wähler nicht"

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla über die Kritik an Angela Merkel und den Zwist mit der CSU.

POSITION

Der Sozialpädagoge und Jurist vom Niederrhein galt nach seiner Wahl in den Bundestag 1990 zunächst als „Junger Wilder“ in der Unionsfraktion. Doch auf Dauer fand er wenig Gefallen daran, sich wie andere jüngere CDU-Abgeordnete an Kanzler Helmut Kohl abzuarbeiten.

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Auf Vorschlag von Parteichefin Angela Merkel wählte die CDU Pofalla 2005 als Nachfolger von Volker Kauder zum Generalsekretär.

PROFIL

Pofalla, der in diesem Jahr 50 wird, gilt als Vertrauter Merkels. Während die Kanzlerin das ganze Spektrum der Koalition abdeckt, soll er das CDU-Profil schärfen.

Können Sie uns einmal erklären, was an Angela Merkel konservativ ist?

Ich kann Ihnen ein ganzes Bündel von Maßnahmen nennen, die unter der Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel umgesetzt worden sind und eine klare konservative Handschrift erkennen lassen. So wird von Kindern heute völlig selbstverständlich erwartet, dass sie bei der Einschulung Deutsch können. Der von der CDU gestellte Verteidigungsminister Franz Josef Jung hat eine Tapferkeitsmedaille bei der Bundeswehr eingeführt und dafür gesorgt, dass Bundeswehrrekruten erstmals vor dem Reichstag ein Gelöbnis abgelegt haben. Im Bereich der inneren Sicherheit war es Wolfgang Schäuble, der gegen den hartnäckigen Widerstand der SPD ein BKA-Gesetz durchgesetzt hat, das die Möglichkeiten der Terrorismus-Abwehr deutlich verbessert.

Angela Merkel wird trotzdem von Konservativen vorgeworfen, kein Verständnis für diese Stammwählergruppe aufzubringen. Ihre Kritik am Papst und ihr Verhalten im Fall der Vertriebenen-Präsidentin Steinbach seien unnötig und schädlich gewesen.

Angela Merkels Äußerung war richtig. Es gehört zur deutschen Staatsräson, dass die Bundesregierung eine unmissverständliche Haltung zum Holocaust hat. Und zur Kritik im Zusammenhang mit Frau Steinbach will ich schon betonen: Es ist der CDU und Angela Merkel zu verdanken, dass die „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ gegen den Widerstand der SPD in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde. Seit Angela Merkel Parteivorsitzende ist, hat sie sich mit Vehemenz für die Gründung dieser Stiftung eingesetzt. Es ist ein Erfolg, dass dieses Projekt jetzt verwirklicht wird. Dabei wird die Stiftung immer mit dem Namen Erika Steinbach verbunden sein, es ist und bleibt ihr Lebenswerk.

Der lautstärkste Widerspruch gegen Merkel kommt aus der CSU. Wie geht die CDU mit diesem Dauerfeuer um?

Die CSU pocht auf Eigenständigkeit. Das ist ihr gutes Recht. Aber letztendlich ist sie auf uns angewiesen. Die Union ist immer dann am stärksten, wenn CDU und CSU geschlossen auftreten. Das weiß auch die CSU.

Wirklich? Managergehälter, Gesundheitsfonds, Mehrwertsteuer – Horst Seehofer fällt ihnen doch dauernd in den Rücken.

Altkanzler Helmut Kohl hat mir oft von seinen Erfahrungen mit der CSU unter Franz Josef Strauß erzählt. Wenn man diese Geschichten so hört, dann sollte man die heutigen Differenzen nicht überbewerten. Der bayerische Löwe brüllt mittlerweile seit 60 Jahren. Wir wissen damit umzugehen.

Helmut Kohl hat seinen Generalsekretär Heiner Geißler böse Briefe nach München schreiben lassen. Schreiben Sie auch?

Entscheidend ist, dass man miteinander redet. Und in den Gesprächen mit der CSU mache ich sehr deutlich, wo die Grenzen sind.

Die CSU will über den Bundesrat den halben Mehrwertsteuersatz auch für Gastgewerbe und Handwerk durchsetzen. Die Kanzlerin lehnt ab. Was gilt?

Vorschläge, wie die Bürger entlastet werden können, sind mir lieber als die Steuererhöhungspläne der SPD. Ich gehe davon aus, dass das aber kein Thema mehr für diese Wahlperiode ist. Mit den Vorschlägen werden wir uns bei der Erstellung des gemeinsamen Wahlprogramms von CDU und CSU beschäftigen.

Wird das Verhältnis von CDU und CSU nach der Europawahl besser?

Es muss bereits vor der Europawahl wieder anders werden! CDU und CSU werden zwei Wochen vor dem Wahltag einen gemeinsamen Wahlaufruf veröffentlichen. Darin werden wir deutlich machen, welches Europa der Zukunft sich die beiden Unionsparteien vorstellen. Zur Glaubwürdigkeit von Politik gehört, gemeinsam auch hinter einer Sache zu stehen.

Aber wie viele Wochen kann sich die Union solche Streitereien noch leisten?

Es ist kein Zufall, dass die Umfragen schlechter geworden sind, wenn zwischen CDU und CSU öffentlich gestritten wird. Unsere Wähler schätzen Streit in der Union nicht sonderlich.

Umgekehrt schüren die Umfragen wieder den Streit, weil Parteifunktionäre sich sorgen, dass es bei der Bundestagswahl wieder nicht für Schwarz-Gelb reicht.

Alle Umfragen gehen nach wie vor von einer bürgerlichen Mehrheit in Deutschland aus. Natürlich müssen wir noch zulegen. Wir werden die Zeit bis zur Bundestagswahl nutzen, um deutlich zu machen, dass die Wählerinnen und Wähler bei der Union am besten aufgehoben sind. Als Alternative droht ein Linksbündnis, ob mit oder ohne Herrn Steinmeier.

Wie wollen Sie wirtschaftsnahe CDU- Wähler daran hindern, zur FDP zu gehen?

Die FDP ist letztlich auf wenige Themen beschränkt. Sie bietet, im Gegensatz zur CDU, keine umfassenden Antworten auf gesellschaftliche Fragen. Dies zeigt sich insbesondere in der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise.

Sie wollen für Schwarz-Gelb kämpfen und zugleich gegen Gelb?

Wir kämpfen für eine starke Union. Und wir werden dabei deutlich machen, wo es sich die FDP zu einfach macht. Ich will ihnen ein Beispiel nennen: Mein FDP- Kollege Dirk Niebel hat der CDU im Zusammenhang mit dem Fall Hypo Real Estate vorgeworfen, Enteignung zu betreiben, ein Vorgang, den die FDP angeblich ausschließen will. Das ist schnell gesagt. Nur: Herr Niebel kann gleichzeitig keine Lösung nennen für den Fall, dass alle klassischen marktwirtschaftlichen Instrumente nicht ausreichen. Hier hat die FDP keine Antwort. Für die CDU ist völlig klar: Im Fall der HRE müssen alle marktwirtschaftlichen Möglichkeiten ausgelotet werden. Wenn aber die Aktionäre diesen Schritten nicht zustimmen, müssen wir den Konkurs dieser Bank trotzdem verhindern. Die HRE ist eine systemische Bank, unter anderem im Pfandbriefmarkt. Einen Zusammenbruch können wir nicht zulassen.

Könnte eine schwarz-gelbe Regierung in dieser Krise viel anders machen?

Ich halte das für eine theoretische Frage, die uns im Moment nicht weiterhilft. Wir sollten uns auch davor hüten, in der jetzigen Phase den Wahlkampf zu eröffnen. Die Wahlen sind im September und die programmatischen Unterschiede zwischen SPD und der Union sind bereits jetzt mehr als deutlich. Sie zeigen sich schon heute in der Krisenreaktion. SPD- Vizekanzler Steinmeier hat der Bundeskanzlerin vorgeschlagen, angesichts der Krise die Steuern zu erhöhen. Die Union hat das abgelehnt, und dafür Steuersenkungen durchgesetzt. Die SPD hatte immer den eigenen Anspruch, eine moderne Partei zu sein. Aber nie waren Anspruch und Wirklichkeit so weit voneinander entfernt wie heute. Wer in einer Wirtschaftskrise die Bürger weiter belasten will, der ist nicht modern, sondern handelt schlicht unverantwortlich. Steuererhöhungen würden dem Standort Deutschland gerade jetzt massiv schaden.

Die CDU-Programmatik ist doch auch von der Wirklichkeit überholt worden. Oder hätten Sie es vor einem Jahr für möglich gehalten, dass sich die Union mit Enteignung und Verstaatlichung befasst?

Nein, es konnte keiner ahnen, was auf uns zukommt. Das ändert aber nichts an unserer Programmatik: Die CDU lehnt grundsätzlich staatliche Eingriffe in die Wirtschaft ab. Wir sind überzeugt davon, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist. Nur erleben wir gerade eine außergewöhnliche Situation. In dieser Ausnahmesituation muss der Staat durch zeitlich begrenzte Eingriffe dafür sorgen, dass die Märkte weiterhin funktionsfähig bleiben. Das ist entscheidend für die weitere wirtschaftliche Entwicklung und den damit verbundenen Erhalt von Arbeitsplätzen. Das Vorgehen der Regierung entspricht den Grundsätzen der Sozialen Marktwirtschaft.

Viele Christdemokraten draußen im Lande hören das und verstehen trotzdem die Welt nicht mehr.

Wir müssen unser Handeln noch mehr und besser erklären. Das ist im Moment eine der wichtigsten Aufgaben für die Politik. Wir müssen den Menschen sagen: Es geht in dieser Krise um systemische Schäden. Ein großes Magazin hat die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers als „Der Jahrhundertfehler“ getitelt. Diesen Fehler dürfen wir nicht machen. Deshalb musste der Staat eingreifen, weil er der einzige ist, der das Funktionieren der Märkte wiederherstellen kann.

Opel ist nicht unverzichtbar für das Funktionieren der Märkte, nicht systemisch?

Bei Opel muss geklärt werden, ob das Unternehmen aufgrund der Krise in Schwierigkeiten geraten ist und ob ein zukunftsfähiges Konzept vorliegt, das ein eigenständiges Überleben möglich macht. Außerdem muss sicher sein, dass mögliche Unterstützung Opel zugute kommt und nicht bei General Motors in den USA versickert.

Aber warum Opel überhaupt helfen, wenn es doch nicht systemwichtig ist?

Es geht hier in erster Linie um zeitlich begrenzte Hilfen in Form von Bürgschaften. Derartige Hilfe gibt es nur, wenn sichergestellt ist, dass Opel eine aussichtsreiche Prognose für die Zukunft hat. Wenn Opel diese Prognose nicht hat und es keine Aussicht gibt, dass Opel seine Produkte am Markt erfolgreich platzieren kann, dann darf der Staat nicht eingreifen.

Die Union würde im Wahljahr Opel fallen lassen und die Protestaufmärsche im Regierungsviertel in Kauf nehmen?

Ein Verstoß gegen die genannten Bedingungen wäre sinnlos. Das wäre eine Placebo-Rettungsaktion wie damals beim Bauunternehmen Holzmann, die am Ende niemandem hilft.

Was sagen Sie zu dem Vorwurf, Großen wie Opel helfe man, während der kleine Unternehmer sich selbst helfen muss?

Der Vorwurf ist schlichtweg falsch! Die Regierung hat gerade erst das Bürgschaftsprogramm für den Mittelstand bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) auf 100 Milliarden Euro aufgestockt. Darauf können diejenigen mittelständischen Unternehmen zurückgreifen, die wegen der Finanzkrise Probleme haben, Investitionskredite bei der Bank zu bekommen. Schon vor der Krise ist der überwiegende Teil der staatlichen KfW-Bürgschaften dem Mittelstand zur Verfügung gestellt worden. Es wurde nur nie darüber geredet, geschweige denn von Journalisten darüber geschrieben, weil es ganz normal war.

Herr Pofalla, Sie sind derzeit in der CDU unterwegs auf den „Dialogtouren“ mit Parteifunktionären. Da werden Sie doch bestimmt nicht nur mit Beifall begrüßt?

Wir haben auf sieben Kampagnenkonferenzen mit der Parteibasis über die Planungen für das Wahljahr gesprochen. Ich habe dort eine große Bereitschaft gespürt, was die angehenden Wahlauseinadersetzungen betrifft. Deutlich wurde aber auch: Es gab Erklärungsbedarf für die Entscheidungen, die in der Regierung getroffen werden mussten.

Ihr Vorgänger Geißler sagt: Wenn die Parteivorsitzende als Regierungschefin Koalitionspolitik vertreten muss, muss der Generalsekretär das Profil der Partei schärfen.

Ich stimme ihm zu. Jetzt muss aber die Krise bewältigt werden. Die Menschen erwarten derzeit in erster Linie von uns völlig zu Recht, dass wir die großen Herausforderungen in der Krise erfolgreich meistern. Daran werden wir auch als Partei gemessen. Der Wahlkampf wird von uns zum richtigen Zeitpunkt eröffnet.

Und vorher zieht weder die Kanzlerin noch der Generalsekretär die Kampfuniform an, wie es Günther Oettinger fordert?

Weder zu Angela Merkel noch zu mir passen Kampfuniformen. Im Sommer ist Wahlkampf, dann wird es harte, aber faire Auseinandersetzungen mit unseren politischen Konkurrenten geben.

Die Fragen stellten Robert Birnbaum und Stephan Haselberger. Das Foto machte Mike Wolff.

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