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Interview: Werner Faymann: „Ich sehe das kritisch“

Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt die Einführung von Euro-Bonds ab. Im Interview spricht Österreichs Kanzler Faymann mit dem Tagesspiegel über die Bonds und mögliche Wege aus der Euro-Krise.

Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt die Einführung von Euro-Bonds ab, wie sie Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker vorgeschlagen hat. Was halten Sie von Euro-Bonds?

Es darf kein Denkverbot geben, aber ich sehe die Idee der Euro-Bonds kritisch. Das habe ich auch gerade in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Merkel zum Ausdruck gebracht. Zurzeit sollte sich Europa auf die Stabilität des Euro konzentrieren. Mit den Euro-Bonds verbunden wäre ja eine Reihe weiterer zentraler Fragen – zum Beispiel nach der Haftung, nach Eingriffsrechten in nationale Budgets.

Für den Euro geht ein schwieriges Jahr zu Ende. Erst wurde Griechenland gerettet, dann Irland. Was haben Sie persönlich aus der Euro-Krise gelernt?

Viel. Es wurde deutlich, dass Europa ein großartiges Projekt, nicht zuletzt ein Friedensprojekt ist, das es wirklich wert ist zu verteidigen. Mir wurde aber auch klar, dass es die Menschen in Europa nicht verstehen, wenn mit Steuergeldern immer nur Banken gerettet werden, anstatt dass zum Beispiel in den sozialen Ausgleich oder in die Bildung investiert wird. Es gibt also noch viel zu tun in Europa, gerade für mich als Sozialdemokraten.

Sollen Staaten, die solide wirtschaften, künftig für Schuldenländer einstehen?

Die Europäische Union zeichnet sich durch Solidarität und gemeinsames Handeln aus, gemeinsam sind wir stärker. Das bedeutet aber nicht, dass wir für Schuldenländer einstehen – der Artikel 125 des EU-Vertrages, die so genannte No-Bailout-Klausel, ist dazu sehr klar und hält fest, dass die Union und die Mitgliedstaaten nicht für Verbindlichkeiten von Regierungen einstehen müssen. Jede Hilfe für Staaten wie Griechenland und Irland ist an strikte Bedingungen gebunden.

Laut Beschluss der EU-Finanzminister sollen Gläubiger verschuldeter Euro-Staaten künftig nur von Fall zu Fall an Rettungskosten beteiligt werden. Hätten Sie sich eine stärkere Gläubigerbeteiligung gewünscht?

Die Entscheidung der Finanzminister war notwendig und angemessen. Wenn es Risiken gibt, dann soll die Last nicht nur auf die Steuerzahler abgewälzt werden. Es wurde die richtige Balance gefunden. Wichtig ist natürlich auch, dass die Beteiligung privater Gläubiger nicht bereits bestehende Verträge betrifft, sondern erst ab 2013 gelten wird.

Deutschland und Frankreich sind bei einigen EU-Partnern in die Kritik geraten. Teilen Sie den Vorwurf, dass Berlin und Paris zu Alleingängen neigen?

Deutschland und Frankreich tragen die Hauptlast bei der Krisenbewältigung. Daher ist es ganz klar, dass diese Staaten eine besondere Verantwortung haben und diese auch wahrnehmen. Klar ist aber auch, dass es da keinen Automatismus gibt, die Entscheidungen werden in der Euro-Gruppe beziehungsweise in der EU getroffen.

Der EU-Gipfel wird sich auf Wunsch der Bundesregierung voraussichtlich auf eine begrenzte Änderung des Lissabon-Vertrages einigen, um zu einem permanenten Euro-Krisenmechanismus zu kommen. Erwarten Sie von Deutschland nun eine Gegenleistung dafür, dass sich Berlin bei der Vertragsänderung durchgesetzt hat?

Natürlich erwarte ich mir keine Gegenleistung, wie Sie das nennen. Aus österreichischer Sicht wäre keine Änderung erforderlich, um einen dauerhaften Stabilitätsmechanismus zu schaffen. Aber natürlich habe ich, wie alle anderen Staats- und Regierungschefs auch, zur Kenntnis genommen, dass Deutschland – vor dem Hintergrund der eigenen Verfassungsrechtslage – eine Klarstellung im Vertrag braucht, um den Mechanismus über das Jahr 2013 hinaus verlängern zu können. Klar ist: Wir wollen einen permanenten Schutzschirm schaffen, der – direkt oder indirekt – dem Gesamtprojekt Europa nützt.

Werner Faymann (50) ist seit 2008 österreichischer Bundeskanzler. Im Juni wurde er als Chef der österreichischen Sozialdemokraten wiedergewählt. Das Gespräch führte Albrecht Meier.

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