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Leienbach

© dpa

Interview: "Wir haben ein Kostenproblem"

Der Direktor des Verbands privater Krankenversicherer fordert mehr Freiheit für das Aushandeln von Ärztehonoraren.

Wie begegnen Sie dem Vorwurf, dass sich die Besserverdienenden über Privatversicherungen aus der Solidarität stehlen?



Ich sage, dass das nicht stimmt. Als Besserverdienende gelten Angestellte mit einem Verdienst über der Versicherungspflichtgrenze von zurzeit 48 600 Euro im Jahr. Das sind nur 13 Prozent unserer Versicherten. Daneben haben wir viele mit völlig normalem, oft auch unterdurchschnittlichem Einkommen, etwa die Beamten. Aber mit diesen 13 Prozent werden wir ständig identifiziert.

Was ist mit den Selbstständigen?

Auch das sind nicht nur Notare, sondern auch sehr viele mit kleinen Einkommen, die Mühe haben, ihren Beitrag zu zahlen. Dazu kommen Rentner und Kinder. Die Behauptung, wir würden nur Besserverdienende versichern, ist ein politisches Kampfargument. Ich vermute, dass es in gewissen gesetzlichen Kassen ähnlich viele Gutverdiener gibt wie bei uns.

Der frühere Barmer-Chef Eckart Fiedler behauptet, die Einbeziehung der Privatversicherten bringe pro Jahr zehn Milliarden Euro … Ist seine Rechnung falsch?

Das ist keine Rechnung, sondern eine Einschätzung – weit entfernt von Fakten. So wurde einfach unterstellt, dass die meisten unserer Versicherten Gutverdiener sind. Vermutlich wurde auch ein Zweites übersehen: Viele, die bei uns Beiträge zahlen, würden dies im gesetzlichen System nicht tun – weil es sich um nichtverdienende Ehegatten und Kinder handelt.

Würden Sie denn das Gegenteil behaupten: dass die Übertragung der Privatversicherten das GKV-System schwächen würde?

Ich würde erst mal sagen, dass eine Übertragung des Bestands weder politisch noch rechtlich möglich ist. Selbst die Bürgerversicherungs-Befürworterin Ulla Schmidt hat betont, dass für dieses Konzept nur Neuversicherte infrage kämen. Es würde auch keinesfalls der GKV strukturell weiterhelfen. Im Gegenteil: Das System nähme insgesamt Schaden.

Also fiktiv: Wären die Privatversicherten nicht Ent-, sondern Belastung?

Man müsste zumindest sauber rechnen. Mit Beamten im gesetzlichen System etwa würde die öffentliche Hand zusätzlich belastet. Beihilfe erhält ja nur, wer medizinische Leistungen in Anspruch nimmt. Für Beamte in der GKV würde der Arbeitnehmerbeitrag aber jeden Monat fällig. Außerdem gäbe es stärkere demografische Belastungen. Beamte leben länger.

Wie sähe es aus, wenn die gesetzlichen Kassen alle Neuversicherten bekämen?

Dazu gibt es eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung des DGB. Sie kommt auf Mehreinnahmen von zwei Milliarden Euro in zehn Jahren. Das ist praktisch nichts. Und wenn es ein Wahlrecht gäbe, würde sich natürlich jeder für das System entscheiden, das ihm die niedrigsten Beiträge abverlangt. Auch davon würde keines der Systeme profitieren.

Deutschland ist europaweit das einzige Land mit einem zweigeteilten Krankenversicherungssystem. Warum?

Deutschland hat noch ein weiteres Alleinstellungsmerkmal: das beste Gesundheitssystem der Welt. Erreicht haben wir dies auch wegen unserer pluralen Strukturen – auf Versicherten- wie Angebotsseite. Außerdem hat das System von einer gewissen Staatsferne profitiert – die uns nun immer mehr verloren zu gehen droht. Die Strukturmerkmale der privaten Krankenversicherung – Wahlfreiheit, lebenslange Leistungszusagen und Kapitaldeckungsverfahren – sind vorbildhaft. Außer ideologisch motivierter Einheitsideologie gibt es keinen Grund, damit zu brechen.

Die große Koalition hat den Beitritt zu den Privaten weiter erschwert. Und in Karlsruhe wurden alle Ihre Klagen abgewiesen …

Das Verfassungsgericht hat aber auch klargestellt, dass das private System nicht gefährdet werden darf. Und es hat den Gesetzgeber zu entsprechender Beobachtung verpflichtet. Es gibt in dem Urteil nichts, was man als Rückenwind für eine Bürgerversicherung verstehen könnte.

Vielleicht sind die Privaten auch gefährdet, weil sie immer teurer werden …

Wir haben ein Kostenproblem, keine Frage. Die Kosten steigen bei uns stärker als im gesetzlichen System. Dort gab es eine Fülle von Kostendämpfungsmaßnahmen – höhere Zuzahlungen, Wegfall der Erstattung von nicht verschreibungspflichtigen Arzneien etc. Bei uns gab es das alles nicht. Hinzu kommt: Wir haben nur wenig Mittel, um auf Qualität, Mengen und Preise Einfluss nehmen zu können.

Welche Mittel hätten Sie denn gerne?

Seit 15 Jahren warten wir auf eine neue Gebührenordnung für Ärzte und Zahnärzte. Dabei wollen wir Öffnungsklauseln, die es uns erlauben, in freiwilliger und fairer Vereinbarung mit Ärzten abweichende Regelungen zu treffen. Wir wollen die Möglichkeit, über Qualität zu reden, über Mengen und auch über die Bezahlung.

Sie wollen die Preise für Ärzte drücken?

Es wird Fälle geben, wo wir feststellen, dass Preise nicht angemessen sind. Es mag auch Fälle geben, wo wir zu einer Aufwertung kommen. Wichtig ist, dass wir Tendenzen zu willkürlicher Mengenausweitung, sprich Verschwendung, gegensteuern. Und wir wollen angemessen honorieren. Der Versicherte akzeptiert höhere Preise nur, wenn er dafür eine Gegenleistung erhält.

Die Fragen stellte Rainer Woratschka.

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