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© Greenpeace / Marco Okhuizen

Interview: „Wir wollen starke Aktionen ohne Gewalt“

Herr Naidoo,mit Ihnen steht erstmals ein Menschenrechtsaktivist aus Afrika an der Greenpeace-Spitze. Was bedeutet dasfür die Strategie der Umweltorganisation?

Ich denke, Greenpeace hat mich geholt, damit ich den Umweltschutz mit dem Schutz der Menschenrechte thematisch stärker verbinde. Dabei wird auch meine Erfahrung bei globalen Kampagnen eine Rolle gespielt haben. Die Kampagne gegen die globale Armut gehörte zu den Initiativen, die ich koordiniert habe. Mir geht es darum, mehr junge Menschen zu Greenpeace zu bringen, vor allem in Entwicklungsländern, in denen wir noch keine breite Mobilisierungsbasis haben.

Greenpeace macht oft Aktionen in Indonesien oder Brasilien …
Ich bin sehr stolz darauf, dass es in meinen ersten zwei Wochen bei Greenpeace ein sehr gutes Beispiel in Indonesien gegeben hat. Greenpeace hat ein Camp in einer Waldregion eröffnet, in der illegal Tropenwald für Palmöl-Plantagen abgeholzt wird. Und als die Polizei kam, um das Camp zu räumen, haben einheimische Bauern die Greenpeacer geschützt und mit ihnen protestiert. Die Dorfvorstände haben gesagt: Greenpeace wird nur gehen, wenn auch die Firmen das Gebiet verlassen.

Ist das eine dieser Aktionen, für die Greenpeace einfliegt und dann schnell wieder verschwindet? In Brasilien hat diese Strategie zu vielen Schildern in der Amazonasregion geführt, auf denen steht: Greenpeace, hau ab! Haben Sie das Camp in Indonesien besser vorbereitet?
Nach gut zwei Wochen haben wir das Camp den Einheimischen übergeben. Aber es ist über eine lange Zeit vorbereitet worden. Über Monate gab es Gespräche mit den Dorfvorständen und den Bewohnern der Region. Ich sehe es als meine Aufgabe an, weiter zu unterstützen, dass so eng wie möglich mit der lokalen Bevölkerung zusammengearbeitet wird. In Brasilien ist es schwieriger, Verbündete zu finden, der Einsatz für den Urwald ist sehr gefährlich. Aber auch dort haben wir immer alles gut vorbereitet. Wir arbeiten seit 1998 vor allem aus der Stadt Manaus, die mitten im Amazonas-Gebiet liegt. Es gibt großartige Erfolge. Wir haben es geschafft, dass die größten Hersteller von Rindfleisch und Leder ab sofort keine Rinder mehr aus neu gerodeten Urwaldgebieten beziehen. Nike und Adidas haben zuvor zugesagt, künftig auf dieses Leder zu verzichten.

Welche Aktionsformen bringen Sie aus Ihrer bisherigen Tätigkeit mit ein?
Mein Hintergrund ist vor allem die Organisation von lokalen Gemeinschaften. Das habe ich in den achtziger Jahren als junger Schüleraktivist gegen die Apartheid getan. Aber über die Jahre habe ich verschiedene neue Erfahrungen gemacht. Greenpeace macht Lobbyarbeit bei Firmen und Regierungen. Und die stützt sich weiterhin auf direkte Aktionen. Man braucht eine Strategie für die Klimakonferenz in Kopenhagen. Greenpeace hat Leute im direkten Verhandlungsprozess. Aber die können nur etwas erreichen, wenn es eine große Unterstützung außerhalb des Kongresszentrums gibt. Wir wollen starke Aktionen, die wie immer ohne Gewalt ablaufen müssen. Das ist unser Anspruch. Ich glaube, dass es die Möglichkeit gibt, einige Dinge anders zu machen. Ich sehe beispielsweise ein großes Potenzial in der Internetmobilisierung, mit der man junge Menschen sehr leicht erreichen kann.

In Kopenhagen spielt die Finanzierungsdebatte eine große Rolle. Umweltverbände verstehen sich da offenbar als Anwälte der Entwicklungsländer und fordern viel Geld, auf das diese Länder ziemlich direkten Zugriff haben sollen. Angesichts eines sudanesischen Verhandlungsführers der Gruppe 77 der Entwicklungsländer und des äthiopischen Premierministers Meles Zenawi für die afrikanische Gruppe stellt sich doch die Frage, ob Sie mit einer solchen Strategie nicht einfach nur undemokratische und korrupte Regime stützen.
Das ist eine gute aber schwierige Frage. Greenpeace verlangt Verlässlichkeit in der Regierungsführung sowohl in Entwicklungsländern wie in Industriestaaten. Wir verlangen einen fairen, ambitionierten und verbindlichen Vertrag in Kopenhagen. Denn ohne diese Elemente können die Anstrengungen nicht kontrolliert werden. Ein Mangel an Transparenz wäre fatal. Wir werden jedenfalls Regierungen in reichen und armen Ländern in gleicher Weise an ihre Verantwortung erinnern, auch im Umgang mit dem Geld für den Klimaschutz. Dabei wollen wir auch enger mit Organisationen wie Transparency International zusammenarbeiten. Ich bin sogar vorsichtig optimistisch, dass die große Aufmerksamkeit für das Thema in Kopenhagen es für uns leichter machen könnte, auf mehr Zuverlässigkeit von Regierungen zu drängen.

Die Klimaverhandlungen sind komplexer als vieles zuvor, oder?
Die Themen müssen immer stärker miteinander verknüpft werden. Wir haben eine Vielzahl von Krisen, die gleichzeitig stattfinden. Von der Hunger- über die Klima- bis zur Finanzkrise. Doch erst letztere hat die Regierungen der Welt zu schnellem Handeln herausgefordert. Greenpeace findet, wenn es möglich ist, über Nacht Billionen Dollar zu mobilisieren, um Banken zu retten, dann muss es doch auch möglich sein, eine kleinere Summe für die Rettung des Klimas auszugeben. Denn je länger man wartet, desto teurer wird es. Das Beispiel von New Orleans und dem Hurrican Katrina zeigt das deutlich. Weil die US-Regierung sich die Millionenkosten für die Sicherung der Dämme in der Stadt sparen wollte, waren die Folgen des Wirbelsturms so katastrophal, dass es jetzt Milliarden Dollar kostet, die Stadt wiederaufzubauen.

Kumi Naidoo ist seit Mitte November Geschäftsführer der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Der 44-jährige Südafrikaner löste den Deutschen Gerd Leipold ab. Das Gespräch führte Dagmar Dehmer.

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