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Der Präsident des Internationalen Olympische Komitees, Thomas Bach, begründet die Entscheidung des IOC.

© dpa

IOC-Entscheidung gegen Russland: Klares Jein zum Staatsdoping

Flagge nein, Sportler ja - mit seiner Entscheidung gegen Russland hat das Internationale Olympische Komitee wachsweiche Kante gezeigt. Und eine Chance verpasst. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claus Vetter

Wer es allen recht machen möchte, der will nicht alle Freunde auf einmal verlieren und entscheidet bei schwerwiegenden Entscheidungen lieber nicht so richtig. Mit dieser Maxime im Rücken müssen sie zu ihrem Entschluss gekommen sein am Dienstagabend in Lausanne: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat sich mit einem klaren Jein zum Staats-Doping-Betrug des russischen Wintersports positioniert. Flagge nein, Sportler ja: Athleten aus dem Reich von Wladimir Putin dürfen in zehn Wochen bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang starten. Allerdings nicht unter russischer, sondern unter der Olympischen Fahne. Als Olympische Athleten aus Russland (OAR).

Das IOC hat damit wachsweiche Kante gezeigt. Die Motive dafür sind offensichtlich. Winterspiele in der Nicht-Wintersportnation Südkorea sind so naheliegend wie eine Fußball-WM in Katar und schon von Grund auf – auch wegen der politischen Situation mit Nachbar Nordkorea – eine fragile Angelegenheit. Die besten Eishockeyspieler der Welt kommen schon nicht, die Veranstaltung hätte bei einem Ausschluss der Russen weiter an Wert verloren. Es gibt mächtige Sponsoren und viel Publikum in Russland, das sich 2014 über Platz eins im Medaillenspiegel gefreut hat. Der Markt ist für den Wintersport wichtiger als für die Sommerspiele.

An Geld und Geltung haben sie beim IOC nun anscheinend mehr gedacht als an den Umstand, das diese Nicht-Entscheidung kein Beschluss auf dem Weg hin zu einem fairen Sport sein kann, sondern ein Schlag mehr ins Gesicht all derer ist, die 2014 gegen die vom Putin-Staat gedopten Athleten verloren haben. Die Russen werden starten unter dem Akronym OAR, womöglich müssen nur die überführten Sportler von Sotschi fehlen.

Schon vor fast zwei Jahren lehnte das IOC eine Komplettsperrung Russlands ab

Wahrscheinlich hat es IOC-Präsident Thomas Bach 2014 in Sotschi bei seinem Freund Wladimir Putin zu gut gefallen. Trotz der Beweislast hatte das IOC schon vor fast zwei Jahren eine Komplettsperre des russischen Teams für die Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro abgelehnt. Doch seit den Rio-Spielen wuchs der Druck, Bach hat mehrfach schonungslose Aufklärung versprochen. 37 nationale Anti-Doping-Agenturen haben für einen Ausschluss der kompletten Mannschaft der Russen für Südkorea plädiert. Die Wut in der Sportwelt war vor der IOC-Sitzung am Dienstag noch größer als vor den Sommerspielen von Rio, für die es damals nur einen Teilausschluss der Russen gab.

Der Beschluss vom Dienstag soll den russischen Staat treffen und wird Putin auch ärgern. Die russischen Farben, die russische Hymne wird nun fehlen, wenn Funktionäre und Politiker in Pyeongchang auf der Tribüne sitzen. Das ist eine Erniedrigung für Putin, denn im Glanz sportlicher Erfolge soll sich internationale Bedeutung widerspiegeln. Je häufiger die russische Hymne bei großen Sportveranstaltungen gespielt wird, desto besser. Die Menschen in Russland sind stolz auf die Erfolge ihrer Athleten, sie wollen Medaillen, in ihren Sportarten. Vor allem im Winter. Eishockey, Eiskunstlauf und Biathlon – das sind Volkssportarten im Riesenland. Da wollen sie ihre Fahnen wehen sehen, da wollen sie der Welt Überlegenheit demonstrieren.

Vielleicht ist es aber auch egal, wenn Hymne und Fahnen fehlen, vielleicht nennen sie die OAR-Starter in Russland einfach Russen und freuen sich trotzig über Erfolge. Es sind ja immer noch genug russische Athleten mit Aussicht auf Gold am Start in Pyeongchang.

Das russische Staatsdoping ist am Dienstag geächtet worden, aber verloren hat vor allem der Sport. Und er wird weiter verlieren, denn in einem guten halben Jahr ist die nächste Großveranstaltung in Russland, die Fußball-Weltmeisterschaft. Der Schatten, der über diesem Turnier liegt, ist mit der wachsweichen Entscheidung von Lausanne größer geworden. Noch mehr gewachsen wäre er bei einer kollektiven Bestrafung. Aber mit so einer Entscheidung hätte das IOC klare Kante gezeigt. Diese Chance ist verpasst, die nächste gibt es hoffentlich nicht dann, wenn der erste Sportler vom „Team“ OAR überführt worden sein sollte.

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