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Irak: Dannatt relativiert Forderung nach Truppenabzug

Der britische Generalstabschef Richard Dannatt hat mit der Forderung nach einem baldigen Abzug der britischen Soldaten aus dem Irak für Aufsehen gesorgt. Jetzt versucht er, seine Aussagen zu relativieren.

London/Washington - Er glaube nicht, dass der Westen es schaffen werde, in dem Land eine pro-westliche liberale Demokratie zu etablieren, sagte Dannatt der Zeitung "Daily Mail". "Ich denke, wir sollten uns ein weniger ehrgeiziges Ziel setzen." Angesichts der vielstimmigen Reaktionen versuchte der Generalstabschef im Laufe des Freitags, seine Äußerungen zu relativieren.

In seinem Interview mit der "Daily Mail" forderte Dannatt, die britischen Soldaten sollten "irgendwann demnächst" aus dem Irak abziehen. Die Kampagne zum Wiederaufbau des Landes sei "schlecht geplant" gewesen, und habe "wahrscheinlich mehr auf Optimismus als auf gründlicher Planung" gefußt. Mittlerweile seien die ausländischen Truppen im Irak absolut nicht gern gesehen. "Ich will zwar nicht sagen, dass die Schwierigkeiten, die wir weltweit gerade haben, auf unsere Präsenz im Irak zurückzuführen ist, aber zweifellos verschlimmert unsere Präsenz sie."

Affront gegen Blair

Mit seinen Worten widersprach der Armeechef der offiziellen Haltung der Londoner Regierung. Premierminister Tony Blair hatte auf dem Labour-Parteitag im September die britische Rolle im Irak und in Afghanistan vehement verteidigt. Ein Abzug aus dem Irak käme einer "feigen Kapitulation" gleich, die die Zukunft Großbritanniens gefährden würde, sagte Blair damals.

Dannatt, der als Freund offener Worte gilt, versuchte in weiteren Interviews, seinen Worten die Brisanz zu nehmen. Seine Äußerungen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Er habe sagen wollen, dass die britischen Truppen erst nach der Beendigung der Mission im Irak abgezogen werden müssten, sagte der 55-jährige Offizier dem britischen Rundfunksender BBC. Zwischen ihn, Verteidigungsminister Des Browne und Blair passe kein Blatt, und sei es noch so "dünn".

Ein Sprecher Blairs wies darauf hin, dass die britische Armee auf Wunsch der demokratisch gewählten irakischen Regierung in dem Land sei. Ein Verteidigungsexperte der konservativen Tories forderte eine Klarstellung, inwieweit die Regierung ihre Haltung zum Irak-Krieg geändert habe. Gegner des Irak-Krieges begrüßten die Äußerungen Dannatts.

Kalkulierter Verlust von 25 Polizisten pro Tag

Ein US-Sicherheitsberater für das Innenministerium in Bagdad, Gerald Burke, kritisierte unterdessen die schlechte Ausbildung der irakischen Polizisten. Ein großer Teil des heutigen Ausmaßes der Gewalt im Irak liege darin begründet, dass unmittelbar nach dem US-Einmarsch im März 2003 zu wenig für die Durchsetzung von Recht und Ordnung getan worden sei, sagte Burke vor einem Ausschuss demokratischer Senatoren in Washington. Wegen der zahlreichen Anschläge rechnet das irakische Innenministerium derzeit nach seinen Angaben den Verlust von 25 Polizisten - tot oder schwer verletzt - pro Tag in seine Planungen ein.

Burke gehörte zu einem Team von sechs Spezialisten, die das US-Justizministerium im Mai 2003 zur Überprüfung des dortigen Rechtssystems in den Irak entsandte. Sein Team habe die Entsendung von 6000 Ausbildern und Beratern für die irakische Polizei empfohlen, sagte der Sicherheitsexperte. Bewilligt wurden stattdessen aber nur 1500 Ausbilder, von denen die ersten 24 zudem erst nach sechs Monaten in dem zerstörten Land eingetroffen seien. (tso/AFP)

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