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Irak-Flüchtlinge: UN beklagen Hilflosigkeit des Westens

In Genf kämpfen derzeit Delegierte für die Anliegen von vier Millionen Irakern, die sich infolge des Krieges auf der Flucht befinden. Ihre Schilderungen beeindruckten viele Zuhörer, ändern wird sich aber wohl wenig.

Genf - Teilnehmern der internationalen Konferenz über Vertriebene und Flüchtlinge im Irak fiel der Kontrast zwischen dem monumentalen UN-Gebäude am idyllischen Genfer See und dem Leid, das sie schilderten, sichtlich schwer. "Im Irak herrscht unter der Zivilbevölkerung die nackte Verzweiflung", sagte einer der 450 Delegierten sichtlich erregt. "Aber wir können wegen der angespannten Sicherheitslage kaum etwas tun." Die zweitägige Genfer Konferenz soll denn auch nach dem Willen des UN-Flüchtlingskommissars António Guterres vor allem die Weltöffentlichkeit aufrütteln. "Fast vier Millionen Iraker beobachten uns heute", sagte Guterres. "Ihre Bedürfnisse sind so offensichtlich wie der moralische Zwang, zu helfen."

Die Vereinten Nationen und andere Hilfsorganisationen im Irak tun sich vor allem nach dem Bombenanschlag auf das UN-Hauptquartier in Bagdad im August 2003 sichtlich schwer. Das die Genfer Konferenz organisierende UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR verwies darauf, dass man vor allem auf lokale Mitarbeiter und auf so genanntes "Fern-Management" angewiesen sei. Dies habe dazu geführt, dass der Eindruck entstehe, die internationale Gemeinschaft tue nicht genug, um die rund zwei Millionen im Irak Vertriebenen und die weiteren zwei Millionen Flüchtlinge, die zumeist in Syrien und Jordanien leben, ausreichend zu versorgen. Aber gerade die Helfer geraten im Irak gezielt in die Schusslinie von Attentätern.

Vorschläge als verzweifelte Appelle

Und tatsächlich scheint es diese internationale Hilflosigkeit zu sein, die dem größten Drama im Nahen Osten seit dem israelisch-arabischen Krieg 1948, wie Guterres mahnte, nicht den Schrecken nehmen kann. So lesen sich denn auch die Vorschläge zur Eindämmung und Linderung der Leiden der Betroffenen, zu zwei Dritteln Frauen und Kinder, wie verzweifelte Appelle: Etwa ein Aufruf an die Konfliktparteien, die Menschenrechte zu respektieren; die Zwänge zur Flucht abzubauen; und den Menschen Zugang zu Hilfsorganisationen zu verschaffen. Ob es bei den Diskussionen hinter verschlossenen Türen auch darum ging, wie der Irak-Konflikt schnell beendet werden kann, wurde zunächst nicht öffentlich.

Dagegen gab es schreckliche Wahrheiten: 35.000 Zivilisten sind nach UN-Schätzungen im vergangenen Jahr im Irak getötet, 36.000 verletzt worden, die meisten davon Männer beziehungsweise Ernährer von Familien. Selbstmordattentäter haben es gerade auf die Zivilbevölkerung abgesehen. Frauen werden im Irak in ihrem Unterschlupf fernab der Heimat, in den sie mit ihren Kindern ohne ihre Männer geflohen sind, misshandelt. Manche Mädchen werden sogar zwangsverheiratet, damit die anderen Familienmitglieder bleiben dürfen. Kinder werden als Soldaten rekrutiert.

Der Irak ist den Schilderungen nach nicht nur wegen der anhaltenden Gewalt kaum regierbar. Er ist eine gefährliche Zeitbombe, die die ganze Region entflammen kann. Diese Botschaft aus Genf ist nach Angaben von Teilnehmern noch wichtiger als der dringende Aufruf, die Sicherheitslage endlich so zu verbessern, dass den Menschen geholfen werden kann. Und vor allem müssen demnach die benötigten Millionen bereitgestellt werden, damit Hilfe überhaupt möglich wird. (Von Heinz-Peter Dietrich, dpa)

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