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Irak-Politik: US-Senat setzt auf Ältestenrat

Wenn die Zeiten schwer sind, ist der Rat der Alten gefragt. Angesichts der verfahrenen Lage im Irak sind die Zeiten für die Außenpolitiker in den USA derzeit besonders schwer.

Washington - Ein Senioren-Duo wird nach dem Sieg der Demokraten bei der Kongresswahl die Außen- und Verteidigungspolitik im Senat organisieren - eine Aufgabe, der angesichts der bevorstehenden Überprüfung des Irak-Einsatzes eine besondere Bedeutung zukommt. Seit den 70er Jahren sitzen die Demokraten Carl Levin und Joseph Biden im Senat, und als Vorsitzende der zuständigen Fachausschüsse werden sie künftig ihren Einfluss auf die Außenpolitik der USA geltend machen. Beide haben konkrete Ideen zu einem Ausweg aus dem Chaos in Bagdad formuliert.

Wenn der neue Senat im Januar erstmals zusammentritt, wird Joseph Biden den Vorsitz im Außenausschuss übernehmen. Der liberale Europa-Kenner ist einer der profiliertesten Außenpolitiker der USA. In den 90er Jahren setzte er sich massiv für ein militärisches Eingreifen seines Landes im Bosnien-Krieg ein. Bei einem Treffen in Belgrad sagte er dem jugoslawischen Machthaber Slobodan Milosevic 1993 ins Gesicht, dass er ihn für einen Kriegsverbrecher halte. Nun wirbt Biden dafür, das Friedensabkommen von Dayton als Vorbild für den Irak zu nehmen. Wie Bosnien solle der Irak in weit gehend autonome Teilrepubliken für die Bevölkerungsgruppen eingeteilt werden. Dass er 2002 dem Irak-Krieg zustimmte, bezeichnet Biden inzwischen als "Fehler".

Außenpolitiker mit überparteilichem Respekt

Biden ist einer der dienstältesten Senatoren. 1972 wurde er im Bundesstaat Delaware in den Senat gewählt. Der Triumph für den 30-jährigen Nachwuchspolitiker wurde von einer schweren Tragödie überschattet: Kurz nach der Wahl starben seine Frau und seine Tochter bei einem Autounfall. Seine beiden Söhne überlebten schwer verletzt. Den Amtseid legte er an ihren Krankenbetten ab. Weil er bei seinen Kindern bleiben wollte, zog er nicht nach Washington, sondern pendelte jeden Morgen zwei Stunden mit dem Zug in die Hauptstadt. Diese Gewohnheit hat er bis heute behalten, und er gilt als wichtiger politischer Fürsprecher der US-Bahngesellschaft Amtrak.

Als Außenpolitiker verschaffte sich Biden überparteilich Respekt. Bei weiter reichenden Ambitionen machte er keine gute Figur. Auf seiner Bewerbungstour für die demokratische Präsidentschaftskandidatur kupferte er 1988 einige Passagen wortgleich aus einer Rede des britischen Labour-Vorsitzenden Neil Kinnock ab. Der Spott darüber hängt ihm bis heute nach. Bei der Präsidentenwahl 2008 will er sein Glück noch einmal probieren. Gute Aussichten werden ihm nicht eingeräumt. Als sehr ausdauernder, aber nicht besonders begabter Redner verlangt Biden dem Publikum viel Geduld ab. "Zwischen Biden und der Präsidentschaft steht einzig und allein sein Mund", höhnt der "Washington Post"-Kolumnist Richard Cohen.

Levin votierte gegen Irak-Einsatz

Über ein bemerkenswertes Mundwerk verfügt auch Carl Levin, der künftige Chef des Streitkräfteausschusses. In Ausschusssitzungen ist Levin wegen seiner scharfen, exakt formulierten Fragen gefürchtet. Wenige Tage nach der Kongresswahl ließ er mit der Forderung aufhorchen, den Abzug der US-Truppen aus dem Irak in vier bis sechs Monaten einzuleiten. Dies sei die "klare Botschaft der Wähler" an die Politiker. Eine derart detaillierte Zeitangabe hatten die Demokraten bis dato vermieden. Im Unterschied zu Biden war Levin von Anfang an ein Gegner des Irak-Einsatzes und fühlt sich nun in seiner Einschätzung bestätigt.

Wie Biden ist der 62 Jahre alte Levin ein liberaler Demokrat alten Schlages, der sich vom religiös geprägten Konservativismus des Präsidenten absetzt. Das Magazin "Time" kürte ihn kürzlich wegen "seiner Detailkenntnis und seines tiefen Verständnisses für Politik" zu einem der "zehn besten US-Senatoren". Präsident will Levin allerdings nicht werden, das hat er bei einem gemeinsamen Interview mit seinem Senatskollegen im Sender ABC deutlich gemacht. (tso/AFP)

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