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Politik: Iraks Premier verärgert Berlin und Paris

Allawi bezeichnet Deutschland und Frankreich als „Zuschauerstaaten“ / Chirac verlässt Gipfel vorzeitig

Mit Verärgerung haben Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chirac auf die Äußerungen des irakischen Übergangs-Ministerpräsidenten Ijad Allawi reagiert, der im Zusammenhang mit dem Irak-Konflikt Deutschland und Frankreich als „Zuschauerstaaten“ bezeichnet hatte. Beim EU-Gipfeltreffen in Brüssel erinnerte der Bundeskanzler in einem Gespräch mit Allawi an die zivile und finanzielle Unterstützung Deutschlands beim Wiederaufbau des Landes.

Schröder sagte, Allawis Bezeichnung der Irak-Kriegsgegner als Zuschauer beim Wiederaufbau sei ein „sprachlicher Lapsus“, der aber auch nicht auf die Goldwaage gelegt werden dürfe. Die Bundesregierung sei zu einem erheblichen Schuldenerlass bereit, um im Irak Mittel für Investitionen in die Infrastruktur frei zu machen. Deutschland beteilige sich auch in erheblichem Umfang an der Ausbildung von irakischen Polizisten, die zwar nicht im Irak selbst, aber in Nachbarstaaten stattfinde.

Auf Einladung der niederländischen EU-Präsidentschaft nahm Allawi am Freitag am gemeinsamen Mittagessen der EU-Staats- und Regierungschefs teil. Bei seiner Ankunft in Brüssel bedauerte der irakische Regierungschef, dass er keine Gelegenheit habe, mit Chirac zu sprechen. Frankreichs Präsident war noch vor Ende des EU-Gipfels abgereist. Am Freitagnachmittag hielten sich in Brüssel hartnäckig Gerüchte, Chirac sei ganz bewusst einer Begegnung mit Allawi aus dem Weg gegangen, um die Verärgerung über dessen kritische Äußerungen zum Ausdruck zu bringen.

Schröder und Chirac erklärten übereinstimmend, dass sie auch nach den US-Präsidentenwahlen an ihrer Irak-Politik festhalten werden. Für Deutschland komme ein Einsatz deutscher Soldaten im Irak nicht in Frage, bekräftigte der Kanzler. Unterdessen gratulierte Schröder US-Präsident George W. Bush am Freitag persönlich zum Wahlsieg. Der Kanzler sagte am Rande des Gipfels, er habe am Freitag mit Bush telefoniert. „Wir waren miteinander der Auffassung, dass es jetzt darum geht, nach vorne zu schauen.“

Chirac erklärte, dass Frankreich uneingeschränkt die UN-Resolutionen zum Irak unterstütze. Voraussetzung dafür, so waren sich alle Staats- und Regierungschefs in Brüssel einig, seien allerdings die für Januar geplanten Wahlen im Irak und eine verbesserte Sicherheitslage. Um den Prozess der Demokratisierung zu unterstützen, wird die EU die Organisation der Wahlen mit 30 Millionen Euro unterstützen.

Beim Mittagessen erneuerte Allawi den Wunsch seiner Regierung, die EU solle eine „aktivere Rolle“ im Irak spielen. Die EU-Regierungschefs wiederum kamen ihrem irakischen Gast mit der offiziellen Ankündigung eines umfassenden Hilfspakets entgegen: Dem Irak wird ein Abkommen mit der EU über die politische und handelspolitische Zusammenarbeit in Aussicht gestellt. Die EU ist zudem bereit, einen erheblichen Teil der Kosten für das Engagement der Vereinten Nationen im Irak aufzubringen. Neben der humanitären Hilfe und der Wiederaufbauhilfe, an der sich die EU und einzelne Mitgliedstaaten massiv beteiligen, wird die EU beim Aufbau von Polizei, Justiz und Zivilverwaltung den Irak mit Wissen und der Entsendung von Experten unterstützen.

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