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Politik: Iraks Waffen: Fischer mahnt Blair zur Wahrheit

Ex-Ministerin Short wirft dem Premier Fälschung vor

London . Der internationale Druck auf den britischen Premier Tony Blair im Streit um Massenvernichtungswaffen im Irak wächst. Die „Mail on Sunday“ zitierte Bundesaußenminister Joschka Fischer auf der Titelseite mit den Worten: „Ich habe sehr deutlich gemacht, dass wenn es keine Massenvernichtungswaffen geben sollte, er, Tony Blair, zugeben sollte, dass er Geheimdienst-Berichte missbraucht und die Weltöffentlichkeit fehlgeleitet hat.“ Innenpolitisch kam von der zurückgetretenen früheren Entwicklungsministerin Clare Short die bislang schärfste Attacke. Sie sagte dem „Sunday Telegraph“, Blair habe die Nation „zum Narren gehalten“. Aus „nur ihm selbst bekannten Gründen“ habe der britische Regierungschef schon im August 2002 beschlossen, den Irak-Krieg zu führen und dann durch „Spin" und Verfälschung von Geheimdienstmaterial versucht, ein „Gefühl von Dringlichkeit" zu schaffen.

Blair verteidigte sich erneut. Es gebe nicht den „geringsten Zweifel“, dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besessen habe, sagte er dem TV-Sender „Sky News“. Interviews mit Wissenschaftlern hätten bereits neue Hinweise ergeben. Das Material werde „in den kommenden Wochen und Monaten“ gesammelt und veröffentlicht.

Am Dienstag, wenn das Unterhaus aus den Pfingstferien zurückkehrt, dürfte Blair im Parlament zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Er wird unter massiven Druck kommen, alle der Regierung vorgelegten Geheimdienstberichte in unverfälschter Form zu veröffentlichen, damit das Ausmaß der Manipulationen an diesen Berichten klar wird. Ungeachtet der Frage, ob sich die Waffen im Irak nun finden oder nicht, wollen die britischen Abgeordneten wissen, ob sie in den dramatischen Wochen vor der Kriegsabstimmung irregeleitet oder gar belogen wurden. Sollte Blair bewusste Täuschung nachgewiesen werden, steht sein Amt auf dem Spiel.

Im Februar machte ein „Geheimdienst"-Dossier Schlagzeilen, das zu großen Teilen aus unverändert übernommenen Passagen einer zwölf Jahre alten Universitätsdissertation bestand. Zuvor hatten sich Behauptungen des britischen Geheimdiensts, der Irak habe in Nigeria angereichertes Uran kaufen wollen, als Fälschung erwiesen.

Doch im Mittelpunkt der Debatte steht die Behauptung, Saddam Hussein könne binnen 45 Minuten einen Chemie- oder Biowaffenangriff starten. Diese Angaben wurden offenbar gegen den Rat der Geheimdienste in ein im September 2002 veröffentlichtes Regierungsdossier eingefügt. Sie beruhen nur auf einer als „unzuverlässig“ bezeichneten Quelle – vermutlich waren damit irakische Oppositionskreise gemeint. Trotzdem wiederholte Blair die Behauptung im Parlament als Beweis dafür, dass Großbritanniens nationale Sicherheit bedroht sei.

Auf dem Europa-Russland-Gipfel in St. Petersburg unterstrich US-Präsident George W. Bush, es habe im Irak illegale Waffen gegeben. „Wir haben ein Waffensystem entdeckt, biologische Labors, deren Existenz der Irak bestritten hatte, und Labors, die nach UNO-Resolutionen verboten waren“, sagte er. CIA-Chef George Tenet verteidigte die Arbeit des US-Geheimdienstes als „durchgehend integer“.

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