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Demonstranten in Brüssel fordern die Freilassung Ashtianis.

© AFP

Iran: Barbarei in göttlichem Auftrag

Sakineh Mohammadi Ashtiani soll offenbar doch exekutiert werden. Das Schicksal der Mutter zweier Kinder wirft ein Schlaglicht auf die Justizwillkür in Iran – im Namen der Scharia.

Ihr Leben hängt an einem seidenen Faden. Seit Monaten bewegt das Schicksal von Sakineh Mohammadi Ashtiani die Welt. Anfang dieser Woche fürchteten ihre westlichen Unterstützer bereits das Schlimmste: Aus dem Gefängnis von Tabris wollten sie erfahren haben, dass die Mutter zweier Kinder nun doch exekutiert werden soll. Im Jahr 2006 zum Tod durch Steinigung verurteilt, appellieren inzwischen Menschenrechtler und Regierungen rund um den Globus an Teheran, die „barbarische Strafe“ zu widerrufen und das Leben der 43-Jährigen zu schonen. Das iranische Regime reagiert zunehmend gereizt. Zuletzt wurden zwei deutsche Journalisten verhaftet, als sie mit Verteidiger Javid Kian und dem Sohn der Todeskandidatin ein Interview führen wollten. Von Sohn und Anwalt fehlt seither jede Spur. Und trotzdem wagte es die Islamische Republik bisher nicht, die Hinrichtung zu vollstrecken. „Das endgültige Urteil ist noch nicht gefällt. Der Fall wird geprüft“, versicherte erst kürzlich Irans Außenminister Manutschehr Mottaki. Sein Sprecher sekundierte, der Druck der westlichen Staaten sei „schamlos“. Sakineh Mohammadi Ashtiani sei zu einem „Symbol für Frauenrechte“ geworden, sie werde zu einem „Menschenrechtsfall“ hochstilisiert, obwohl sie Verbrechen und Verrat begangen habe.

Nach Angaben ihres inzwischen nach Europa geflohenen Co-Verteidigers Mohammed Mostafaei war sie zunächst wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ zum Tod durch den Strang verurteilt worden, eine Strafe, die später auf zehn Jahre Haft reduziert wurde. Nach Überzeugung des Gerichts hatte sie ihren Mann, der sie in der Ehe wie eine Sklavin behandelte, durch ein Schlafmittel betäubt, bevor ihn dessen Cousin mit einem Stromkabel tötete. In einem zweiten Verfahren wurde sie wegen angeblicher intimer Beziehungen zu zwei Männern mit 99 Peitschenhieben bestraft und für den angeblichen Ehebruch mit dem Mörder ihres Mannes zum Tod durch Steinigung verurteilt.

Und das, obwohl die Islamische Republik diese Art der Todesstrafe im Jahr 2002 unter Präsident Mohammed Chatami offiziell ausgesetzt hat. Trotzdem gab es nach Angaben von Human Rights Watch in den letzten Jahren unter Nachfolger Mahmud Ahmadinedschad mindestens sechs Steinigungen wegen Ehebruchs. Männer werden für die tödliche Tortur bis zu den Schultern, Frauen bis zum Kopf eingegraben und bekommen ihre Gesichter mit einem weißen Tuch verhüllt. Legitimiert werden solche Strafen durch die Scharia, das religiös begründete Recht des Islam. Es umfasst zum einen die fünf Grundpflichten der Muslime – Glaubensbekenntnis, Gebet, Fasten im Ramadan, Almosen für die Armen und die Pilgerfahrt nach Mekka. Aber es umfasst auch ethische Normen, zivile Rechtsgebiete und Strafrecht. In den meisten arabischen Staaten ist die Scharia mittlerweile auf das Ehe- und Familienrecht beschränkt, das Frauen bei Scheidung, Erbschaft und Sorgerecht stark benachteiligt. Diese Länder arbeiten mit einem dualen Rechtssystem: Die religiösen Tribunale sind für das Personenstandsrecht zuständig, die säkularen Gerichtshöfe für das Zivil- und Strafrecht nach dem Vorbild europäischer Systeme.

Anders Iran und Saudi-Arabien. Hier gilt die Scharia auch im Strafrecht. Seit Jahrzehnten fallen beide Regime daher bei Menschenrechten, Justizwillkür und Todesstrafen negativ auf. Schwere Prügelstrafen gehören zum Gefängnisalltag. In Saudi-Arabien werden Verurteilte öffentlich enthauptet oder gekreuzigt. Im Iran kann sogar politische Opposition als Gotteslästerung gewertet und mit dem Tode bestraft werden. Auch wird seit Jahresbeginn auffallend vielen Dieben eine Hand abgehackt. „Wir führen nur göttliches Recht aus”, rechtfertigte der Oberstaatsanwalt der Provinz Hamedan, Akbar Biglari, diese mittelalterliche Praxis.

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