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Iran: Bloggender Mullah angegriffen

Der ehemalige Vizepräsident Irans, Mohammad Ali Abtahi - im Westen auch als der bloggende Mullah bekannt - ist in Teheran attackiert worden. Die politischen Verhaftungen und Prozesse im Iran gehen weiter.

Kaum hatte der frühere iranische Vizepräsident die Moschee im Süden Teherans verlassen und war in seinen Wagen gestiegen, als bestellte Schläger über ihn herfielen. Bewaffnet mit Messern und Stromkabeln, zertrümmerten sie die Scheiben des Autos, sprühten Tränengas ins Innere. „Wie durch ein Wunder“ habe er unverletzt entkommen können, schrieb der geschockte Mohammad Ali Abtahi später auf seiner Facebook-Seite, wo auch Fotos des verbeulten weißen Fahrzeugs zu sehen sind. „Sehr brutal” sei der Angriff gewesen, niemand habe ihm geholfen, während die Täter „furchtlos und selbstbewusst“ agierten.

Abtahi, der im Westen auch als der „bloggende Mullah“ bekannt ist, befindet sich momentan in Freiheit. Der ehemalige Stellvertreter von Reformpräsident Mohammed Chatami war kurz nach der umstrittenen Präsidentenwahl am 12. Juni 2009 verhaftet worden, nach Angaben seiner Familie in Gefängnis gefoltert und unter Drogen gesetzt und schließlich in einem unwürdigen Schauprozess zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Bis zur Berufungsverhandlung, für die es noch keinen Termin gibt, kam er Ende 2009 gegen eine Kaution von 700.000 Dollar auf freien Fuß.

Auch wenn Justizchef Sadegh Laridschani die im Fernsehen übertragenen Tribunale gestoppt hat, die Verfolgung und Einschüchterung von Regimekritikern geht unerbittlich weiter. Sechs wegen „Gotteslästerung“ zum Tode verurteilte Demonstranten warten auf ihre Hinrichtung. Über 60 Journalisten und Blogger sitzen nach Angaben des amerikanischen PEN-Zentrums im Teheraner Evin-Gefängnis – fast so viele wie in China, das jedoch eine 20 Mal größere Bevölkerung hat. Einer ist Mohammad Davari, Chefredakteur der Website Saham News, die letztes Jahr als erste über die Vergewaltigungen von jungen Demonstranten im Kahrizak-Gefängnis berichtete. Insgesamt schätzen Menschenrechtsorganisationen die Zahl politischer Gefangener auf mehrere hundert. Und jede Woche dringen Berichte nach draußen über drakonische Haftstrafen oder neue Festnahmen – von Menschenrechtlern, Professoren, Künstlern, Lehrern, Rechtsanwälten und Studenten. So auch kürzlich nach einem gescheiterten Auftritt von Präsident Mahmud Ahmadinedschad an der Teheraner Universität, wo ihn Studenten mit Sprechchören „Tod dem Diktator“ und „Wir wollen keine Putsch-Regierung“ am Reden hinderten und vom Campus vertrieben. In der Nacht darauf drangen Geheimpolizisten in das Wohnheim ein und verhafteten Maryam Abbasinejad, die Mitglied im Studentenrat ist.

Seit drei Monaten eingekerkert ist auch der bekannte iranische Filmregisseur Jaafar Panahi. Weder sein Rechtsanwalt noch seine Familie konnten bisher herausfinden, was ihm vorgeworfen wird. Als er kürzlich anderthalb Stunden nackt in der Kälte vor seiner Zelle stehen musste und Verhörbeamten ihm drohten, sie würden seine Tochter abholen, trat der 49-Jährige in den Hungerstreik. „Ich bin unschuldig und ich werde kein Geständnis unterzeichnen, was durch Drohungen erpresst wurde“, schrieb er aus dem Evin-Gefängnis in einem offenen Brief, der beim Filmfestival in Cannes von Frankreichs Kulturminister Frederic Mitterrand vorgelesen wurde. „Lasst uns nicht die tausenden von wehrlosen Gefangenen vergessen“, schloss der Text. „Sie haben - so wie ich - keinerlei Verbrechen begangen“.

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