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Chomeini

© dpa

Iran: Die nächste Stufe der Unterdrückung

Des Regime in Teheran plant Schauprozesse gegen die Opposition – erste "Geständnisse" gibt es schon.

Die Propaganda-Maschine stößt immer mehr düstere Drohungen aus. Mir-Hossein Mussawi sei ein amerikanischer Agent, eiferte am Wochenende die konservative Zeitung Kayhan, das Sprachrohr des Obersten Religionsführers. Mussawi versuche, „der Strafe zu entgehen für Mord an unschuldigen Menschen, die Organisation von Unruhen, Zusammenarbeit mit dem Ausland und seine Rolle als fünfte Kolonne Amerikas“, heißt es in dem Hetzartikel aus der Feder von Chefredakteur Hossein Shariatmadari, einem engen Vertrauten von Ali Chamenei. Mussawi und der frühere Präsident Mohammed Chatami müssten vor einem offenen Tribunal zur Verantwortung gezogen werden „für widerliche Verbrechen und Hochverrat“. Damit hat das Regime am Wochenende die nächste Stufe der Unterdrückung eingeläutet.

Nun soll offenbar die politische Führung der Opposition endgültig zum Schweigen gebracht werden – durch Verhaftung von Mir-Hossein Mussawi und eine Serie drastischer Schauprozesse mit Todesurteilen. „Fast alle Verhafteten haben inzwischen gestanden“, triumphierte Mojtaba Zolnour, der Verbindungsmann Chameneis zu den Revolutionären Garden. Parallel dazu tauchen auf regimenahen Websites immer mehr Details von angeblichen „Geständnissen“ auf. So soll Mohammed Ali Abtahi, früherer Vizepräsident des Iran und im Westen als „der bloggende Mullah“ bekannt, in einem Video unter Tränen erklärt haben, „dass er Leute und Studenten aufgehetzt sowie Unruhen geschürt hat“. Der politische Berater der britischen Botschaft in Teheran, Hossein Rassam, soll nach Angaben seines Verteidigers bald „wegen Aktionen gegen die nationale Sicherheit“ vor Gericht gestellt werden – ein typischer Gummiparagraf, den praktisch alle Verhafteten „gestehen“ müssen. Andere, wie der Chefredakteur der Reformzeitung „Etemad-e- Melli“, Mohammad Ghoochani, sollen darüber hinaus zugegeben haben, im Ausland Kurse zum Thema „Wie organisiert man eine samtene Revolution“ besucht zu haben – für das Regime die Chiffre für einen Umsturz der Islamischen Republik durch Massenproteste.

Demonstrativ besuchten die Reformkleriker Mehdi Karubi, Mohammed Chatami und Hashemi Rafsandschani die Familien der Betroffenen. Als eine „Vergiftung der Gesellschaft“ geißelte Chatami die „fadenscheinigen Reueprojekte“ und „die aus der Luft gegriffenen Geständnisse in Fernsehshows“. Rafsandschani erklärte sybillinisch, niemand mit einem wachen Gewissen könne „mit der gegenwärtige Situation zufrieden sein“.

Politische Gefangene werden in der Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses in Teheran festgehalten, die dem Geheimdienstministerium untersteht. Folter, Schlafentzug und Isolierhaft sind nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen üblich. Ali Afshari, der im Jahr 2000 an der Böll-Konferenz in Berlin teilnahm, wurde nach seiner Rückkehr so lange gequält, bis er im iranischen Staatsfernsehen gestand, „einen Umsturz der Islamischen Republik“ geplant zu haben, und sich beim Obersten Religionsführer Chamenei für seine „Fehler“ entschuldigte. Er sei 335 Tage in Einzelhaft gehalten worden und habe dem Druck zwei Monate standgehalten, erklärte der ehemalige Studentenanführer, der heute in den USA lebt. Aber zwei Scheinexekutionen und fünf Tage Schlafentzug hätten schließlich seinen Willen gebrochen. Mehrere Monate hätten er und seine Folterer darüber verhandelt, was er konkret gestehen solle. Nachdem das Geständnis schließlich fertig gewesen sei, habe er sieben bis zehn Tage geübt, es aufzusagen.

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