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Iran: Türkei will sich im Atomstreit bewähren

Im Atomstreit will die Türkei den Iran zu einer Mäßigung überreden – vorerst ohne Erfolg. Dabei braucht Ankara dringend einen Fortschritt, um sich als Führungsmacht in der Region präsentieren zu können.

Ahmet Davutoglu ist Stammgast in Teheran. Zum fünften Mal innerhalb von nur vier Monaten hat der türkische Außenminister in dieser Woche das Nachbarland Iran besucht. Wie bei den anderen Visiten stand auch diesmal der Streit um das iranische Atomprogramm im Mittelpunkt. Die Türkei will eine Eskalation vermeiden und sich mit ihren Vermittlungsbemühungen als neue Regionalmacht präsentieren. Doch die Iraner denken nicht daran, den Türken diesen Triumph zu ermöglichen, sagen Beobachter: Teheran versucht vielmehr, das NATO-Mitglied Türkei für seine Zwecke einzuspannen.

Davutoglu habe neue Vorschläge im Gepäck, sagte der türkische Außenamtssprecher Burak Özügergin in Teheran. Es handele sich um „Ideen, die den Gordischen Knoten durchschlagen“ könnten. Einzelheiten nannte er nicht. Laut türkischen Presseberichten forderte Devutoglu die iranischen Gastgeber unter anderem auf, die Anreicherung von Uran vorerst zu stoppen, um weitere Eskalationen und neuen Sanktionen der internationalen Gemeinschaft zu verhindern. Greifbare Ergebnisse konnte Davutoglu am Ende des Besuchs jedoch nicht vorweisen.

Ein Erfolg wäre ein Triumph für Ankara

Dabei braucht Ankara dringend einen Erfolg an der Iran-Front. Die Türkei sieht sich als geopolitisch günstig gelegenes und wirtschaftliches stärkstes Land in der Region in der Rolle einer Führungsmacht, die helfen kann, politische Konflikte zu lösen. Sollte die Türkei mit ihren Bemühungen im Iran-Streit Erfolg haben, wäre das ein Triumph für die ambitionierte neue Außenpolitik Ankaras. Ein Scheitern wäre dagegen ein schwerer Rückschlag.

An den offiziellen Verhandlungen zwischen dem Iran auf der einen und China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA auf der anderen Seite sind die Türken nicht beteiligt. Sie können lediglich versuchen, zwischen den beiden Fronten zu vermitteln. So hat Ankara angeboten, iranisches Uran auf türkischem Boden zu lagern; Teheran würde dann angereichertes Uran für medizinische Zwecke aus dem Ausland erhalten.

Aber die Türkei hat ein Problem: Obwohl sie sich im Atomstreit als ehrlicher Makler präsentiert, hat sie die Iraner öffentlich gegen die Kritik aus dem Westen an den iranischen Nuklearambitionen in Schutz genommen. In einer Zeit, in der die türkischen Beziehungen zum traditionellen Partner Israel von einer Krise in die nächste stolpern, ist das türkisch-iranische Verhältnis auf Regierungsebene so herzlich wie nie zuvor.

Iran könnte die Türkei ausnutzen

Falls die türkische Regierung glauben sollte, auf diese Weise die iranische Haltung im Atomstreit beeinflussen zu können, hat sie sich geschnitten, meint der außenpolitische Kommentator Semih Idiz. „Iran benutzt die Unterstützung der Türkei zu seinen Gunsten“, schrieb er kürzlich. Die Iraner seien aber „nicht bereit, den türkischen Appellen hinsichtlich einer weniger harten Haltung im Atomstreit mit dem Westen zuzuhören“. Westliche Diplomaten in Ankara bezweifeln ebenfalls, dass die Türkei in Teheran viele Einflussmöglichkeiten hat.

Davutoglus neuer Ansatz für die türkische Außenpolitik – Lösung aller bilateralen Probleme mit den türkischen Nachbarn bei gleichzeitigem Engagement zur Lösung regionaler Konflikte – könnte im iranischen Atomstreit also eine Schlappe erleben.

Doch auch aus anderen Gründen setzt Ankara alles daran, dass der Konflikt zwischen Teheran und dem Westen nicht weiter eskaliert. Neue Sanktionen gegen den Iran könnten der Türkei als direkter Nachbarin der Iraner wirtschaftlich schaden. Zudem würde die Sanktionsfrage die Türkei als nicht-ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat in Schwierigkeiten bringen. Sollte der Rat über neue Sanktionen abstimmen, müsste Ankara vor der Weltöffentlichkeit offenlegen, auf welcher Seite die Türkei denn nun eigentlich steht.

Schon jetzt sei klar, dass die Türkei mit ihrer bisherigen Iran-Politik kein Blumentopf gewinnen könne, schrieb der Journalist Cengiz Candar, einer der erfahrensten Beobachter des Politbetriebes in Ankara, in der Zeitung „Referans“. Indem die türkische Regierung zu Menschenrechtsverletzungen im Iran schweige, gleichzeitig aber Teheran in der Atomfrage gegen Kritik aus dem Westen verteidige, verschenke sie die Chance auf politische Erfolge. „Weder auf der internationalen Bühne noch in der Region selbst bringt das etwas.“

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