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Das Steinigungsurteil stößt international auf heftige Kritik.

© AFP

Iran: Steinigung von Frau aufgeschoben

Sakineh Mohammadi-Ashtiani ist in Iran wegen angeblichen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung verurteilt worden. Auf internationalen Druck schiebt Teherans Justiz die Hinrichtung "vorerst" auf und fahndet nun nach dem Anwalt der Verurteilten.

Für den französischen Außenminister Bernard Kouchner ist der Fall „ein Verstoß gegen das universale Gewissen“. Sein britischer Amtskollege William Hague nannte das Urteil eine „mittelalterliche Bestrafung“, die in der ganzen Welt „Abscheu und Entsetzen“ hervorrufen werde. US-Außenministerin Hillary Clinton protestierte durch ihren Sprecher gegen diesen „barbarischen und widerlichen Akt“. Ausgelöst hatte die internationale Empörung das Schicksal der 43-jährigen Sakineh Mohammadi-Ashtiani, die in Iran wegen angeblichen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung verurteilt worden war. Inzwischen gab Iran dem internationalen Druck etwas nach und setzte die Vollstreckung „vorerst“ aus. Die Mutter zweier Kinder aber bleibt weiterhin in ihrer Todeszelle in Tabriz. Stattdessen fahndet die Justiz nun nach ihrem Rechtsanwalt Mohammad Mostafaei, einem bekannten Kritiker iranischer Strafpraxis. Sie wirft ihm vor, die internationale Aufmerksamkeit auf den Fall gelenkt zu haben. Das staatliche Fernsehen sprach dann auch von einer durch die USA und Israel betriebenen Propagadakampagne. Um Mostafaei zu zwingen, sich zu stellen, nahm die Polizei am Wochenende seine Familie in Sippenhaft. Ehefrau und Schwager sitzen seither hinter Gittern, die Anwaltspraxis in Teheran wurde verwüstet.

Dieser Fall wirft erneut ein düsteres Licht auf die Menschenrechtslage in der Islamischen Republik. Nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 hat die Zahl der Missbräuche extreme Ausmaße angenommen. Aber auch in den Jahren zuvor gab es immer wieder harte internationale Kritik -  an der Hinrichtung minderjähriger Straftäter, an grausamen Körperstrafen wie Peitschenhiebe und Amputationen sowie an dem exzessiven Einsatz der Todesstrafe. So wurden im Jahr 2008 insgesamt 346 Menschen hingerichtet, darunter acht Minderjährige. 2009 waren es nach Erkenntnissen von Amnesty International mindestens 318 Menschen, darunter vier Jugendliche, die zur Tatzeit keine 18 Jahre alt waren. Andere Gefängnisinsassen kamen unter dubiosen Umständen zu Tode oder haben angeblich in ihrer Zelle Selbstmord begangen.

Wie viele Menschen derzeit in Iran zum Tod durch Steinigung verurteilt sind, darüber gibt es keine präzisen Angaben. Amnesty International geht von mindestens zehn weiteren Verurteilten aus – darunter sieben Frauen. Denn meist werden die Fälle nicht bekannt, anders als bei Sakineh Mohammadi-Ashtiani. Ihr 22-jähriger Sohn Sajad schrieb mehr als hundert Briefe, in denen er das totale Versagen der iranischen Justiz anprangerte – unter anderem an Revolutionsführer Ali Chamenei und Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Sechsmal reiste er vergeblich nach Teheran, um zusammen mit Menschenrechtsanwalt Mohammad Mostafaei eine Begnadigung seiner Mutter zu erreichen. Überall ließ man die beiden abblitzen, alle Briefe blieben ohne Antwort. Erst als der Exekutionstermin näher rückte, alarmierte der junge Mann internationale Organisationen. Zweimal wurde er seither vom Geheimdienst vorgeladen und angewiesen, sein Handy abzuschalten.

Ungeachtet dessen hatte Iran noch im Februar vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf die Stirn, alle Kritik weit von sich zu weisen. Iran sei „eine der profiliertesten Demokratien“ in der Region und ein „wirklicher und beharrlicher“ Verteidiger der Menschenrechte, erklärte Mohammad Javad Laridschani, seit kurzem Generalsekretär des iranischen Hohen Rates für Menschenrechte. Aus seiner Sicht gebe es seinem Land nichts Ernsthaftes vorzuwerfen. Vielmehr benutzten „einige westliche Regierungen“ das Menschenrechtthema ständig als Instrument, „um Druck gegen uns auszuüben“. Laridschanis ältester Brüder Ali ist Präsident des iranischen Parlaments, sein Bruder Sadegh seit Mitte August 2009 Chef der iranischen Justiz. „Blanke Leugnung und viel Zynismus“ nannte die Amnesty-Direktorin im Mittleren Osten, Hassiba Hadj Sahraoui, Irans Auftritt. Im Mai allerdings ließ die Islamische Republik dann ihre Bewerbung für einen Sitz in dem UN-Menschenrechtsrat fallen. Zu einhellig war der Widerstand von Menschenrechtlern aus aller Welt – angeführt von der iranischen Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi.

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