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Rafsandschani

© dpa

Irans Oppositionelle: Rafsandschani gibt Rätsel auf

Der unterlegene Präsidentschaftskandidat Rafsandschani ist wie von der Bildfläche verschwunden. Das gibt Raum für Spekulationen.

Von dem regierungskritischen Ex-Präsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani ist seit der umstrittenen Wahl am12. Juni öffentlich nichts mehr zu hören gewesen. Noch im Wahlkampf hatte der 75-Jährige den amtierenden Präsidenten Mahmud Ahmadineschad angegriffen und sich auf die Seite von dessen Gegner, Mir Hossein Mussawi, gestellt.

Vermutungen über die Gründe für Rafsandschanis Schweigen gibt es viele. Einige denken, er ziehe die Fäden bei den Demonstrationen, andere sind überzeugt, dass er kraft seines Amtes als Vorsitzender der Expertenversammlung denSturz des geistlichen Oberhaupts des Landes, Ajatollah Ali Chamenei, vorbereitet. "Trotz all dieses Geredes über Hinterzimer-Aktivitäten sehe ich nichts", sagt Iran-Experte Anusch Eschtami von der Universität Durham. "Das bedeutet, dass er keinen Fortschritt erzielen konnte – welche Absicht auch immer er verfolgt."

Nach Ansicht Baker Moins, Biograf von Ajatollah Ruhollah Chomenei, sorgt sich Rafsandschani nicht allein um sein politisches Überleben, sondern auch um die Zukunft der Islamischen Republik, die er einst mitbegründete. "Er will nicht, dass sie von den Hardlinern ruiniert wird. Er denkt, dass sie Chamenei beeinflusst haben", sagt Londoner Iran-Experte Moins. Da Rafsandschani selbst zum Opfer fallen würde bei einem Sieg der Hardliner, bemühe er sich hinter verschlossenen Türen um einen Ausweg.

"Sein Hauptziel ist, die Legitimation des Establishments zu erhalten, die durch den Streit über die Wahl Schaden genommen hat", erklärt ein Experte, der ungenannt bleiben will. Wahrscheinlich geht Rafsandschani, politisches Stehaufmännchen und Pragmatiker, aber auch aus Selbstschutz nicht in die Offensive. Ahmadineschad hat nie ein Geheimnis aus seiner Abneigung gegen ihn gemacht und ihm und seinen Söhnen im Wahlkampf Selbstsucht und Korruption vorgeworfen. Die kurzzeitige Verhaftung von Rafsandschanis Tochter Faeseh, die zu Mussawi-Anhängern gesprochen hatte, war ein eindeutiger Warnschuss des Regimes.

Vielleicht hält sich Rafsandschani aber auch einfach nur alle Optionen offen und wartet ab, bis sich die Wogen geglättet haben. "Er könnte eine große Rolle spielen, da er das wichtigste Bindeglied zwischen Führung, Chamenei, vielen Religionsgelehrten und Reformkräften ist", sagt Moin.

Auf den Straßen dagegen herrscht die Angst. Augenzeugen berichteten, dass iranische Basidsch-Milizen nachts Einwohner terrorisieren, die auf ihre Dächer steigen und "Gott ist groß" rufen. Wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch auf ihrer Webseite berichtete, dringen die regimetreuen Paramilitärs in die Häuser ein, schlagen die Bewohner zusammen und feuern Schüsse in die Luft ab. Satellitenschüsseln würden konfisziert, damit die Besitzer keine Auslandssender mehr empfangen können.

"Augenzeugen erzählen uns, dass sich die Basidsch-Milizionäre sich teilweise ganze Straßen vornehmen oder sogar ganze Viertel", sagte Sarah Leah Whitson, Nahost-Chefin von Human Rights Watch. Der Bericht zitiert mehrere Teheraner. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) dringt die Miliz auch in Teheraner Krankenhäuser, um Verletzte der Protestkundgebungen zu finden und zu verschleppen.

Nächtliche Rufe von den Dächern waren schon während der Islamischen Revolution vor 30 Jahren eine weit verbreitete Form des friedlichen Protests im Iran; nun demonstrieren die Menschen auf diese Weise gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadineschad. Auf die Straßen wagen sich wegen der allgegenwärtigen Staatsmacht kaum noch Demonstranten.

ZEIT ONLINE, Reuters, dpa

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