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Politik: Irland muss Abtreibung ermöglichen

Strassburg/Berlin - Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat Irland für sein rigides Abtreibungsrecht verurteilt. Das Gericht sprach am Donnerstag einer Frau 15 000 Euro Schadenersatz zu, die nach Großbritannien reisen musste, um eine Abtreibung dort vornehmen zu lassen.

Strassburg/Berlin - Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat Irland für sein rigides Abtreibungsrecht verurteilt. Das Gericht sprach am Donnerstag einer Frau 15 000 Euro Schadenersatz zu, die nach Großbritannien reisen musste, um eine Abtreibung dort vornehmen zu lassen. Die Klägerin war an Krebs erkrankt und fürchtete, dass sich ihre Krankheit mit der Schwangerschaft verschlimmere.

Die Große Kammer des EGMR sah darin eine Verletzung von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, dem Recht auf Privat- und Familienleben. Zwei andere Klägerinnen wies das Gericht ab. Für sie hätten familiäre Motive im Vordergrund gestanden, keine gesundheitlichen. Das grundsätzliche Abtreibungsverbot in Irland tastete der Gerichtshof nicht an. Er macht jedoch deutlich, es müsse ein praktikables Verfahren geben, das erkrankten Schwangeren bei substanziellen Gesundheitsgefahren eine Abtreibung im Inland ermögliche. Dies habe Irlands höchstes Gericht bereits 1992 festgestellt, das Parlament habe es jedoch versäumt, entsprechende Ausführungsbestimmungen zu erlassen.

Das irische Abtreibungsrecht gilt als eines der striktesten in den 47 Unterzeichnerstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention. Härter sind nur Andorra, Malta und San Marino, wo selbst Risiken für die Mutter keine Rolle spielen dürfen. In Irland droht seit einem Gesetz von 1861 lebenslange Freiheitsstrafe. Frauen fahren deshalb regelmäßig ins Ausland. Die Klägerinnen hatten vorgetragen, dies sei für sie teuer, kompliziert und traumatisch, es stigmatisiere und demütige sie. Alle gaben zudem an, sie hätten nach ihrer Rückkehr nach Irland Komplikationen erleiden müssen.

Der EGMR hob nun hervor, es gebe in Europa keinen unbestrittenen Konsens, wann Leben beginne. Die Staaten hätten bei ihrer Gesetzgebung einen weiten Einschätzungsspielraum, um die Konfliktlagen zwischen Mutter und Kind in einen Ausgleich zu bringen. Die Menschenrechtskonvention garantiere kein umfassendes „Recht auf Abtreibung“. Ein Verbot beeinträchtige zwar das Recht auf Privatleben, es verfolge in Irland aber das „legitime Ziel, öffentliche Moralvorstellungen wie in Irland zu schützen.“

Die Klägerinnen waren 2005 nach Großbritannien gereist. Eine Frau hatte bereits vier Kinder, psychische Probleme und besorgte sich für den Eingriff einen Kredit. Die andere fürchtete, das Kind allein aufziehen zu müssen. Die erkrankte Frau hatte sich einer Krebstherapie unterzogen, ohne von der Schwangerschaft zu wissen. Jost Müller-Neuhof

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