zum Hauptinhalt

Politik: Irland will zweites EU-Referendum

Nach der Ablehnung des Lissabon-Vertrages in einer ersten Abstimmung zeichnet sich ein Ausweg aus der EU-Krise ab – im Herbst 2009 sollen die Iren ein zweites Mal abstimmen. Vorausgesetzt, die EU zeigt sich entgegenkommend.

Brüssel/Dublin - Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel den Weg aus der europäischen Vertragskrise vorgezeichnet. Nach dem Scheitern des irischen Referendums über den neuen EU-Vertrag von Lissabon zeichnete sich am Donnerstag eine Lösung ab, die spätestens im Herbst nächsten Jahres die Blockade der EU-Reform beenden könnte. Noch vor Ende der Amtszeit der gegenwärtigen EU-Kommission werde Irland, so kündigte der irische Premierminister Brian Cowen an, die entsprechenden Schritte einleiten, um die Ratifizierung des neuen EU-Vertrags zu einem guten Ende zu bringen.

Im Klartext bedeutet dies, dass die irische Regierung spätestens im Oktober nächsten Jahres in einem zweiten Referendum das letzte Hindernis für den neuen Lissabon-Vertrag beseitigen will. Im Erfolgsfall könnte der Reformvertrag zum folgenden Jahresbeginn in Kraft treten.

Im Gegenzug wird die EU den Iren weit entgegenkommen. Der Reformvertrag soll um mehrere Garantien ergänzt werden, die Irlands militärische Neutralität ausdrücklich bekräftigen und den streng katholische Iren erneut bestätigen, dass das Abtreibungsverbot und die irischen Familienpolitik nicht in Frage gestellt werden. Die „Nein"-Kampagne in Irland hatte vor der Abstimmung im vergangenen Juni mit Warnungen vor Eingriffen Brüssels in diesen Bereichen die Bevölkerung gegen den Lissabon–Vertrag mobilisieren können.

Gleichzeitig soll zugesichert werden, dass sich an der niedrigen irischen Körperschaftssteuer nichts ändert. Als neue Forderungen verlangt Irland auch Erklärungen zum Arbeitsrecht – dabei geht es um Mindestlöhne – und zur Freiheit der Kommunen, ihre öffentlichen Dienstleistungen ohne Einmischung der europäischen Wettbewerbshüter anbieten zu können.

Diese Wünsche sollen linke Kritiker besänftigen. Die irischen Oppositionsparteien haben sich in den letzten Tagen beschwert, sie seien kaum konsultiert worden. Sie dürften sich aber am Ende hinter die Regierung in Dublin stellen. Nach einem Papier, das den irischen Medien noch vor dem EU-Gipfel in Brüssel zugespielt wurde, sollen unter der bevorstehenden tschechischen EU-Ratspräsidentschaft die Zusicherungen ausformuliert werden, die Irland braucht.

Die kleine Sinn-Féin-Partei bleibt indessen skeptisch. Sie moniert, die geplanten Erklärungen hätten keine Rechtskraft. Zudem sei die amtierende Regierung derart unpopulär, dass das vorgeschlagene Vorgehen „töricht“ sei. Oppositionsführer Enda Kenny fasste dies am Dienstag knapp zusammen: Er traue dieser Regierung schlicht nicht zu, das zweite Referendum gewinnen zu können. In der Tat zeichnet sich in Meinungsumfragen trotz der akuten Wirtschaftskrise in Irland lediglich eine hauchdünne Mehrheit für den Lissabon-Vertrag ab. Das Unternehmen eines zweiten Referendums bleibt politisch überaus riskant.

Bei dem gescheiterten Referendum im vergangenen Juni hatte offenbar die Befürchtung, Irland werde möglicherweise seinen Kommissar in Brüssel verlieren, eine wichtige Rolle gespielt. Deshalb wollen die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel in Brüssel durch einstimmigen Beschluss sicherstellen, dass auch in Zukunft jedes Mitgliedsland der Europäischen Union einen eigenen EU-Kommissar stellen kann. Luxemburg und andere EU-Länder äußerten allerdings Bedenken gegen diesen Schritt.

Im Lissabon-Vertrag war vorgesehen, dass die Zahl der EU-Kommissare ab 2014 auf zwei Drittel der Mitgliedstaaten reduziert wird. Obwohl diese Vereinbarung nun zurückgenommen wird, muss der Lissabon-Vertrag nicht nochmals verändert werden. Im neuen Vertrag ist nämlich eine Klausel verankert, die eine Rücknahme durch einstimmigen Beschluss der Staats- und Regierungschefs vorsieht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false